Frankreich: Hollande möchte Reiche mit bis zu 75 Prozent besteuern
Der Kandidat der Sozialisten in Frankreich fordert, Reiche mit bis zu 75 Prozent zu besteuern. Der deutsche Linken-Vorsitzende Klaus Ernst meint: "Hollandes Programm liegt näher bei uns als bei der SPD."
In einem Aufruf an die Regierung erklärten sich vergangenes Jahr namhafte französische Einkommensmillionäre bereit, aus Solidarität höhere Steuern zu zahlen. Jetzt will sie François Hollande beim Wort nehmen. Wenn der Kandidat der Sozialisten bei der Präsidentenwahl im Mai gegen den Amtsinhaber Nicolas Sarkozy gewinnt, will er für Einkommen von mehr als einer Million Euro im Jahr einen neuen Steuersatz von 75 Prozent einführen. Das kündigte Hollande am Montagabend in einer Fernsehsendung an. Er löste damit eine aufgeregte Debatte aus, in der das rechte Regierungslager den Kandidaten der Linken mit allen möglichen aus früheren Steuerdebatten bekannten Vorwürfen einer „konfiskatorischen Fiskalpolitik“ eindeckte.
Hollande nehme zu „Symbolen“ Zuflucht, erklärte Finanzminister François Baroin. Budgetministerin Valérie Pécresse hielt ihm entgegen, jede Woche neue Steuern ins Gespräch zu bringen, jedoch „keine Sparvorschläge“ zu machen. Der Präsident der Nationalversammlung, Bernard Accoyer, warf ihm vor, er wolle „die Reichen aus Frankreich verjagen“.
Selbst einige von Hollandes engsten Beratern waren auf den Vorschlag nicht vorbereitet. Im Katalog der „60 Engagements für Frankreich“, den Hollande zu Beginn seines Wahlkampfs veröffentlichte, war bisher nur von der Absicht die Rede, einen Spitzensteuersatz von 45 Prozent auf Einkommen von mehr als 150 000 Euro im Jahr einzuführen. Der derzeitige Höchstsatz beträgt 41 Prozent für Jahreseinkommen über 70 000 Euro. Er müsse den Vorschlag erst genauer studieren, wehrte Jérôme Cahuzac, der sozialistische Präsident des Finanzausschusses der Nationalversammlung, ab, der für den Kandidaten Hollande das Steuerprogramm redigierte. Am Dienstag legte Hollande nach. „Angesichts der exzessiven und manchmal schamlos hohen Bezüge hege ich schon lange die Idee, ein Signal, eine Botschaft des nationalen Zusammenhalts zu senden“, sagte er. „Wenn Anstrengungen unternommen werden müssen, ist es nötig, dass die, die in der sozialen Hierarchie ganz oben stehen, zu einem Akt des Patriotismus bereit sind.“
In Deutschland dürfte die Forderung auch bei sozialdemokratischen Parteifreunden eher Kopfschütteln auslösen. Die SPD hatte auf ihrem Bundesparteitag im Dezember einen Spitzensteuersatz von 49 Prozent beschlossen. Parteichef Sigmar Gabriel sagte damals: „Mit einem Überbietungswettbewerb von Steuererhöhungen kann man natürlich keine Wahl gewinnen.“ Linken-Chef Klaus Ernst stichelte: „Hollandes Programm liegt näher bei uns als bei der SPD“, sagte er dem Tagesspiegel. Und fügte hinzu: „Ich hoffe, Hollande meint es ernst und läutet eine Zeitenwende in Europa ein. Wir sollten auch in Deutschland ein Bündnis für eine Wiederanhebung des Spitzensteuersatzes schmieden, wenigstens auf 53 Prozent, wie unter Helmut Kohl.“