Kosovo: Hoffnung auf politische Wende
Für die Wahl am Sonntag hofft nicht nur die EU auf einen Denkzettel für die korrupte Polit-Elite im Kosovo. Eine neue Politikergeneration könnte das Land voran bringen.
Das Kosovo braucht einen besseren Ruf. So sieht es Pieter Feith, der EU-Repräsentant in dem jungen Balkanstaat. „Das Land hat Bodenschätze und viele junge, billige Arbeitskräfte, doch noch bleiben die Investoren fern“, sagte Feith kürzlich in Berlin. Der offensichtliche Grund: Das Land wird schlecht regiert. Diplomat Feith spricht von einer „enttäuschenden Performance“ mit 45 Prozent Arbeitslosigkeit und rechtsstaatlichen Defiziten. Im jüngsten Fortschrittsbericht der EU heißt es außerdem, es gebe kaum Erfolge bei der Bekämpfung von Geldwäsche, Waffen-, Drogen- und Menschenhandel. Westliche Geheimdienste gehen sogar davon aus, dass die politische Elite des Landes, bis hinauf zu Premier Hashim Thaci in die organisierte Kriminalität verstrickt ist. Dominiert wird sie bis heute von ehemaligen Kämpfern der sogenannten Befreiungsarmee UCK. Die fast 2000 Mann starke EU-Rechtstaatsmission, die den Aufbau des Kosovo überwacht, zog im Frühjahr immerhin Transportminister Fatmir Limaj aus dem Verkehr, eines der korruptesten Regierungsmitglieder.
Am Sonntag haben die knapp zwei Millionen Kosovaren die Möglichkeit, eine bessere Regierung zu wählen. Und erstmals seit der Unabhängigkeit von nunmehr fast drei Jahren gibt es Alternativen zum politischen Establishment. „Unsere politische Führung lebt in der Vergangenheit, sie hat für die Unabhängigkeit gekämpft, ist aber nicht in der Lage, unsere Zukunft zu gestalten“, sagt Ilir Deda von der Partei „New Spirit“ (FER). Deda, selbst Anfang 30, und seine Mitstreiter wollen vor allem junge Wähler anziehen. Sie versprechen eine „professionelle Politik“, jenseits der alten UCK-Seilschaften. Auch EU-Repräsentant Feith sprach in Berlin von einer „neuen Politikergeneration, auf der große Hoffnungen ruhen“. Deda hat ebenso wie sein Kovorsitzender Shpend Ahmeti in den USA studiert. Später arbeiteten beide für unabhängige politische Think Tanks in Pristina. Mit ihrem Programm aus Wirtschaftsreformen und einer zügigen Annäherung an die EU werden ihnen gute Chancen eingeräumt, die Fünf-Prozent-Hürde für den Einzug ins Parlament zu nehmen. Gleiches gilt nach Ansicht von Beobachtern für die „Bewegung für Selbstbestimmung“ (LPV) des früheren Studentenführers Albin Kurti, der erst gegen Serbien mobil machte, dann gewalttätige Demonstrationen gegen die Missionen von UN und EU im Kosovo organisierte und für die Zukunft von einem Großalbanien träumt.
Die Wahl wurde notwendig, weil das Verfassungsgericht die Doppelfunktion von Staatspräsident Fatmir Sejdiu, der gleichzeitig Parteichef von Thacis Regierungspartner LDK war, für verfassungswidrig erklärt hatte. Sejdiu trat zurück und kündigte dann auch die Koalition mit der PDK auf. LDK und Thacis PDK dürften aber die stärksten Kräfte im Land bleiben, denn Thacis wohl gefährlichster potenzieller Konkurrent, Ramush Haradinaj, ebenfalls ein ehemaliger UCK-Kämpfer, kann nicht antreten. Er muss sich nach einem ersten Freispruch aus Mangel an Beweisen derzeit ein zweites Mal vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag verantworten.
Verändern dürfte sich im Kosovo dennoch etwas. Nachdem der Internationale Gerichtshof die einseitige Trennung von Serbien im vergangenen Sommer für rechtens erklärt hatte, ist Belgrad inzwischen bereit, in einen Dialog einzutreten. EU-Repräsentant Feith rechnet noch in diesem Jahr mit ersten Gesprächen über eine Normalisierung der Beziehungen. Eines der wichtigsten Themen wird dabei die Lage im von Serben bewohnten Norden des Kosovo sein. Pristina hat dort bis heute faktisch keinen Einfluss. In den serbischen Enklaven im Rest des Landes weicht die Front dagegen auf. „Die Menschen haben sich mit der Situation arrangiert und kooperieren zunehmend mit der Regierung“, sagt Pieter Feith.
Ulrike Scheffer
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