Kuba und die USA: Hoffnung auf ein geeintes Amerika
Mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen den USA und Kuba wird nicht nur ein Ende der erfolglosen Blockade eingeläutet. Damit könnten auch die Schranken innerhalb des Kontinents überwunden werden. Ein Kommentar.
Es war ein Satz, der die konservativen Gegner Barack Obamas vermutlich tief in ihren Überzeugungen darüber traf, was in der Außenpolitik richtig und was falsch sei. „Wir beenden einen überholten Ansatz, der über Jahrzehnte hinweg unseren Interessen nicht genutzt hat.“ Mit diesen Worten begründete der amerikanische Präsident am Mittwoch in einer landesweit übertragenen Erklärung eine grundlegende Kursänderung in der Kubapolitik. Zeitgleich nahm der kubanische Präsident Raul Castro in einer Fernsehansprache Obamas politische Neuorientierung „mit Respekt und Anerkennung“ zur Kenntnis. Nach mehr als 50 Jahren soll es wieder diplomatische Beziehungen zwischen beiden Ländern geben. Die von Obama als erfolglos erkannte Wirtschaftsblockade des kommunistisch regierten Inselstaates wird schrittweise beendet.
Das freilich kann ohne die Zustimmung beider Häuser des republikanisch dominierten Kongresses nicht geschehen. Dennoch hat Obamas Ankündigung weit mehr als symbolischen Charakter. Auch seine innenpolitischen Widersacher können die Augen nicht davor verschließen, dass mehr als ein halbes Jahrhundert Sanktionen das Regime erst von Fidel und nun von seinem Bruder Raul Castro nicht in die Knie zwingen konnten. Ganz im Gegenteil: Die Herrscher in Havanna durften die verheerenden Folgen ihrer sozialistischen Wirtschaftspolitik und vor allem die Verelendung des Landes den mächtigen US-Amerikanern und ihrer Boykottpolitik anlasten. Aus dieser Underdog-Rolle heraus erwarben sie sich den Respekt fast aller süd- und mittelamerikanischen Staaten, während sich die USA mehr und mehr isolierten.
Die USA müssen darauf hinwirken, dass die Menschenrechte geachtet werden
Nach dem Ende der Militärdiktaturen, die das Amerika südlich Mexikos im Griff hatten, sind die meisten der inzwischen demokratischen Staaten politisch nach links gerutscht. Das war so etwas wie ein natürlicher Pendelausschlag weg von der Privilegierung von Militär und Oberschicht. Nicht alle haben, wie Venezuela, Kuba mit Milliardensubventionen das Überleben möglich gemacht, aber fast ausnahmslos ließen sie den Nachbarn im Norden fühlen, dass man ihn nicht als zugehörig zu Amerika betrachte. Barack Obamas Ausruf „Wir sind alle Amerikaner“ soll diese Schranken genauso überwinden wie die Formel von den Gemeinsamkeiten „der Amerikas“, die den gesamten Doppelkontinent umspannt. Es ist ja kein Zufall, dass gerade der nördliche Nachbar der USA, Kanada, über Monate hinweg als diplomatischer Eisbrecher fungierte. Kanada ist nicht nur der wichtigste Investor in Kuba, eine Million Kanadier macht jedes Jahr Urlaub auf Kuba, Kanada gilt auch in ganz Iberoamerika als hoch respektierter Gesprächspartner.
Obama beendet mit seiner Initiative überdies eine geradezu absurde globalpolitische Schieflage. Die transatlantischen Beziehungen der USA sind, trotz gelegentlicher Trübungen, fest wie eh und je. Seit der auf Hawaii geborene Präsident den Blick seiner Landsleute für die Beziehungen zu den pazifischen Nachbarn entschlossen weitete, machte er, ohne dies zu beabsichtigen, offenkundig, dass die Beziehungen zu den geborenen Partnern Washingtons auf demselben Kontinent desaströs sind. Gerade die kompromisslose Kubapolitik hat verhindert, dass die USA jemals aus dem Schatten der früher ziemlich brutal durchgesetzten Machtpolitik im eigenen „Hinterhof“ Mittelamerika heraustreten konnten.
Das kann sich jetzt ändern. Dabei sollte niemand erwarten, dass alle Konflikte der Vergangenheit aufgearbeitet, alle divergierenden Deutungen ausdiskutiert werden. Die USA müssen, das sind sie ihrer eigenen Tradition schuldig, darauf hinwirken, dass die Menschenrechte auf Kuba respektiert werden. Vieles andere wird die Diplomatie auf ihre Weise lösen müssen. Der alte Satz „we agree to disagree“ wird manche Debatte beenden. Schon das erfordert von allen den Verzicht auf laute Töne. Der wird den US-Republikanern viel schwerer fallen als dem Regime in Havanna.
Gerd Appenzeller