Kuba und die USA vor den Verhandlungen: Hoffnung auf die Fahnen geschrieben
Kuba und die USA: Hohe Erwartungen, vielleicht zu hohe, prägen die bevorstehenden Gespräche, die an diesem Mittwoch beginnen sollen. Nach Obamas erstem Schritt sind jetzt die Kubaner am Zug. Aber werden sie die Chance nutzen?
Vom Balkon des baufälligen Hauses im Zentrum von Havanna weht die US-Flagge – einträchtig neben der kubanischen. Bis vor ein paar Monaten war das ein undenkbares Bild. Doch seit US-Präsident Barack Obama zeitgleich mit seinem kubanischen Counterpart Raúl Castro im Dezember nach fünf Jahrzehnten Eiszeit die Normalisierung der Beziehungen angekündigt hat, sind Tabus gefallen, und ein Hoffnungsschimmer hat die Kubaner erfasst. Wie die Normalität aussieht, wird sich diese Woche zeigen, wenn sich US-amerikanische und kubanische Unterhändler erstmalig treffen, um die Einzelheiten der Annäherung zu erörtern.
Die Erwartungen sind hoch: Obama hat wenige Tage vor dem Besuch die Reisebeschränkungen gelockert, die Devisenüberweisungen und Telefongespräche erleichtert. Und am Mittwoch wird keine Geringere als die Staatssekretärin für die westliche Hemisphäre, Roberta Jacobson, in Havanna erwartet. Auch auf kubanischer Seite wird eine Frau verhandeln: die US-Beauftragte im Außenministerium, Josefina Vidal.
Kuba-Kenner sind zurückhaltend, denn die Zeichen aus Havanna sind durchwachsen. Obwohl eine Normalisierung der vielleicht letzte Rettungsanker für die kubanische Mangelwirtschaft ist, hat deren Delegation ein erstaunlich niedriges Profil; weder Außenminister Bruno Rodríguez, geschweige denn Vizepräsident Miguel Diaz-Canel, der als designierter Nachfolger der Castro-Brüder gilt, stehen auf der Teilnehmerliste. Kaum hatte Obama im Dezember die Normalisierung verkündet, begann auf Kuba eine Repressionswelle gegen Dissidenten. Über 50 wurden festgenommen. Im Vorfeld der Gespräche wurden sie zwar allesamt wieder freigelassen, doch das ist die übliche Strategie der kubanischen Führung.
Die Kubaner beharren auf ihren Definitionen, wenn es um Menschenrechte geht
Ähnliche Erfahrungen haben auch EU-Diplomaten gemacht, die schon seit einem Jahr mit Havanna verhandeln. „Jedes Mal, wenn es ans Eingemachte geht, also an Bürgerrechte, Pluralismus, Meinungsfreiheit, beharrt die kubanische Regierung auf ihren Definitionen und rückt davon keinen Millimeter ab“, erklärte ein Diplomat mit der Bitte um Anonymität.
„Jetzt müssen Taten folgen. Die USA haben vorgelegt, nun sind die Kubaner dran“, sagt der New Yorker Professor Arturo López Levy. „Eine autonome, starke Zivilgesellschaft ist die beste Alternative zu den kleinen, revanchistischen Dissidentengruppen“, meint Levy, „und in Bereichen wie Bildung, Gesundheit, Umweltschutz, Unternehmensbildung gibt es viele Möglichkeiten einer Kooperation in diesem Sinne.“ Aber Levy sieht auch Hindernisse. Es gebe auf beiden Seiten Gruppen, die alles daran setzten, die Normalisierung zu boykottieren. Sie zu neutralisiere,n sei die dringendste Aufgabe.
Damit meint er Leute wie den Publizisten Carlos Alberto Montaner. Obama habe die Position seiner Unterhändlerin geschwächt, weil er schon vor Verhandlungsbeginn seine Asse ausgespielt habe, kritisiert der Exilkubaner und zählt die seiner Meinung nach gröbsten Fehler der US-Regierung auf. Kuba sei ein Regime, das weltweit den Antiamerikanismus fördere und Beziehungen zu Terrorregimen unterhalte. Die Ziele der neuen Strategie seien unklar; das Tauwetter habe die Opposition geschwächt und die Castro-Brüder gestärkt, weil der Reformdruck nachlasse.
US-Firmen und alte Feinde Castros stehen in den Startlöchern
Doch es geht nicht nur um Ideologie, sondern auch um Geschäfte. Die US-Firmen stehen schon länger in den Startlöchern. Vor einigen Monaten lotete Google-Chef Eric Schmidt in Havanna die Investitionsmöglichkeiten aus, gefolgt von eingefleischten Anticastristen wie dem exilierten kubanischen Zuckerbaron Alfonso Fajul. Seit Anfang des Jahres geben sich die Delegationen die Klinke in die Hand. Doch noch sind die Hindernisse enorm – denn dass das US-Embargo fällt, ist angesichts der republikanischen Mehrheit im US-Kongress unwahrscheinlich.
Bis dahin ist Massentourismus aus den USA nach Kuba weiterhin verboten. Handel ist ebenfalls untersagt, mit Ausnahmegenehmigungen für Telekommunikationstechnologie, Produktionsgütern für die unabhängigen Gewerbeschaffenden und Nahrungsmitteln. Letztere dürfen schon lange exportiert werden; und ob Kuba unbegrenzt US-Technologie ins Land lässt, bleibt abzuwarten.
Washington, so scheint es, spielt auf Zeit. Das biologische Ende der über 80-jährigen Castro-Brüder ist absehbar. Dann werden die Karten neu gemischt, und bis dahin, so sagte ein Funktionär der AP, werden die Maßnahmen Obamas die aufstrebende Jungunternehmer-Elite stärken und die Kontrollkapazitäten des Staates überfordern.