zum Hauptinhalt
Eine junge Berlinerin hat geklagt, weil sie wegen ihres Kopftuchs einen Ausbildungsplatz nicht bekommen hat. Im Interview erzählt sie, warum sie vor Gericht zog.
© dpa

Kopftuchurteil: „Hoffentlich nehmen die Vorurteile ab“

Die Klägerin im Berliner Kopftuchprozess über junge Muslime, böse Kommentare – und Thilo Sarrazin. Die junge Frau will anonym bleiben.

Als Sie sich um eine Ausbildungsstelle bewarben, waren Sie auf Schwierigkeiten Ihres Kopftuchs wegen vorbereitet?

Ja. Eine Freundin von mir hatte sich schon bei einem Allgemeinmediziner beworben und wurde abgelehnt; er hatte es ihr klar gesagt. Eine andere arbeitete in einem Schuhgeschäft, entschied sich irgendwann, das Kopftuch zu tragen, und wurde entlassen. Eine dritte hat sich sehr oft beworben, sie hat drei Ausbildungen absolviert, eine davon als Fremdsprachenkorrespondentin. Sie ist arbeitslos.

Wollen Sie sich deswegen jetzt nicht mit Bild und Namen zeigen?
Ich habe eigentlich keine Angst, an die Öffentlichkeit zu gehen, aber ich weiß einfach zu wenig über die Folgen. Ich würde immer mit diesem Prozess in Verbindung gebracht werden, und ich weiß noch nicht, ob ich das will.

Sie haben vor drei Monaten eine Tochter bekommen, aber zuvor doch eine Ausbildung begonnen – trotz Kopftuch.
Ich bin jetzt in einer Ausbildung zur Technischen Assistentin für medizinische Geräte. Aber das ist eine Schulausbildung. Da war das kein Thema.

Machen Sie sie deswegen?
Ja. Ich wollte eben endlich einmal aktiv sein und nicht mehr nur daheim zu Hause sitzen.

Sie haben Abitur. Wollen Sie studieren?
Ich will eigentlich Politikwissenschaft studieren, das interessiert mich sehr. Aber ich wollte die Ausbildung machen, um mich versorgen zu können und danach studieren. Ich finde es nicht schön, wirtschaftlich abhängig zu sein. Ich habe mich im Übrigen gefreut, dass sich nach dem Artikel im Tagesspiegel ein Zahnarzt bei mir gemeldet hat, der mir eine Ausbildungsstelle geben will. Das heißt, ich werde meinen Wunschberuf neben dem Studium nun doch lernen können.

Wo haben Sie die Schule besucht?
Hier in Berlin, eine arabische Schule. Meine Familie stammt aus dem Irak, aber ich bin mit neun Jahren nach Deutschland gekommen und kenne den Irak nur von einem einzigen Aufenthalt.

Warum eine arabische Schule?
Meine anderen Geschwister sind auf normale Gymnasien gegangen, aber ich wollte mein Arabisch verbessern. Dafür war die Schule eine gute Möglichkeit, parallel zum normalen Fachunterricht. Ich habe dann am Studienkolleg eine Zusatzprüfung abgelegt, um die Anerkennung der Hochschulreife zu bekommen.

Wie sind Ihre Alltagserfahrungen?
Bei älteren Menschen oft schlechte. Da kommen böse Kommentare wie: Kanaken, Ausländer. Im Allgemeinen werde ich aber freundlich behandelt, da habe ich gute Erfahrungen gemacht.

Sie erwähnten Ihre Pläne: Meinen Sie, Sie können diese mit Kopftuch verwirklichen?
Was ist, ist eben so. Ich bin aber optimistisch für die Zukunft. Der Richter in meinem Verfahren hat etwas gesagt, was ich auch glaube: Die Sache wird sich entwickeln. Die Menschen werden ja auch mit dem Kopftuch mehr und mehr konfrontiert, und ich hoffe, dass die Vorurteile mit der Zeit abnehmen.

Seit wann tragen Sie ein Kopftuch?
Seit ich neun bin. Es gehört zu mir, und ich bin ohne es gar nicht denkbar. Und es nervt mich, dass wir als unterdrückt gelten, dass uns selbst aber niemand fragt, was wir denken und wie wir leben. Fragt mich doch einfach! Ich habe eigentlich keine Mittel, aber ich war entschlossen, meine Rechtsanwältin selber zu zahlen. Ich wollte, dass sich endlich was ändert.

Seit wann wollten Sie das?
Als ich erfuhr, dass ich nicht genommen würde, habe ich noch am selben Tag beschlossen, nicht in Depressionen zu verfallen. Das war keine schöne Erfahrung. Einerseits wollte ich sie verarbeiten, andererseits aber mehr tun. Als Erstes habe ich die Polizei angerufen, doch die konnte mir leider nicht helfen. Der muslimische Seelsorgedienst hat mir dann die Nummer meiner Rechtsanwältin gegeben. Ich habe recherchiert und fand heraus: Es gab für das Thema überhaupt nur sie. Ich habe mit ihr gesprochen, dann haben wir den Türkischen Bund eingeschaltet.

Was nehmen Sie aus dem Prozess mit?
Ich kann nur allen raten: Lasst euch beraten, macht den Mund auf, wehrt euch. Dieses Urteil ist schon eine große Sache. Und ich hoffe, dass es wenigstens eine Weile groß bleibt und etwas ändert für junge Muslime. Dass sie bald wirklich frei hier leben können. Und arbeiten. Wir wollen das, wir wollen nicht mit nichts dastehen, wir wollen studieren, uns weiterbilden. Ich hoffe, dass diese Debatte Fahrt bekommt und nicht immer nur die, die die Sarrazins und Buschkowskys auslösen.

Bei Sarrazin heißen Frauen wie Sie „Kopftuchmädchen“. Was sagt Ihnen das?
Es klingt so abwertend. Ich bin eine Frau, die starten und Karriere machen will. Und der es andere unmöglich machen.

Zur Startseite