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Tränen, die nicht versiegen. Eine Frau weint, während sie mit anderen Menschen eine TV-Liveübertragung aus dem Gerichtssaal des Den Haager Tribunals vom Prozess gegen Ratko Mladic verfolgt.
© Dimitar Dilkoff/AFP

Jugoslawien-Krieg: Höchststrafe zum Finale am Tribunal

Mit dem Urteil gegen Ratko Mladic beendet das UN-Tribunal in Den Haag seine Arbeit. Der einstige Anführer der bosnischen Serben kündigte an, in Berufung zu gehen.

„Mr. Mladic wird aus dem Gerichtssaal entfernt!“ Richter Alphons Orie verlor die Geduld. Während er am Mittwoch im UN-Tribunal in Den Haag das Urteil gegen Ratko Mladic verlas, erhob sich der Angeklagte, schimpfte und gestikulierte. Nach nach einigen Minuten musste er weggeführt werden. Mladics Verbrechen, hatte der Richter ausgeführt, „gehören zu den abscheulichsten, die die Menschheit je gesehen hat, darunter Völkermord und Ausrottung als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. Dem Angeklagten wurde das Anhören unerträglich. „Alles Lüge“, rief er, und „ihr seid alle Lügner!“ Da er abgeführt wurde, hörte er sein eigenes Urteil nicht weiter an.

Dieses Urteil lautet: lebenslänglich. Mit Ratko Mladic wurde einer der wohl skrupellosesten der 161 Kriegsverbrecher verurteilt, die seit 1993 vor dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien standen. Mladic galt als unermüdlicher Kriegstreiber in den Zerfallskonflikten des ehemaligen Jugoslawien.

Der General wirkt wie ein verwirrter Randalierer

Seinem Ruf blieb der 75-Jährige bis zum letzten Tag des Verfahrens treu. Doch Mladic wirkte dabei eher wie ein alter, verwirrter Randalierer. In den Gerichtsszenen, die das Tribunal-TV der Öffentlichkeit zeigte, war nur noch wenig zu ahnen von dem ehemaligen Oberbefehlshaber der Armee der bosnischen Serben, der auf den Hügeln um das belagerte Sarajewo Ausschau nach seinen Opfern hielt.

Die lebenslange Haftstrafe, das härteste Urteil, das vom UN-Tribunal verhängt werden kann, fußt auf den Beweisen für Genozid, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Einer der Kernpunkte der Klageschrift war das Massaker von Srebrenica im Osten Bosniens. Mladics Armee und Paramilitärs planten, die Region zu einer monoethnisch serbischen zu machen und sie von muslimischer Bevölkerung „zu reinigen“.

Vor den Augen der Blauhelm-Schutztruppe der Vereinten Nationen wurden im Juli 1995 etwa 8000 muslimische Jungen und Männer zwischen 14 und 84 Jahren ermordet. Mehrere Prozesse zum Massaker von Srebrenica gab es am UN-Tribunal in Den Haag, das im zweiten Kriegsjahr seine Tore öffnete, nachdem der UN-Sicherheitsrat die Einrichtung des Tribunals beschlossen hatte.

Bis heute sind Bosnien und Herzegowina marodes Nachkriegsland

Am 31. Dezember werden sich diese Tore schließen, das Urteil gegen Mladic wurde auch darum noch in diesem Jahr erwartet. Das UN-Tribunal für das ehemalige Jugoslawien ahndet Kriegsverbrechen während der Kriege in Kroatien (1991–1995), in Bosnien (1992–1995), im Kosovo (1998–1999) und in Mazedonien (2001). Vor Gericht standen neben politischen und militärischen Anführern in den ersten Jahren nach der Eröffnung 1993 auch Armeeangehörige mit niedrigeren Dienstgraden.

Am 24. Juli 1995 erhob der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag Anklage gegen Mladic wegen Völkermords und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. 100 000 Tote, die meisten von ihnen Männer, Frauen und Kinder aus der Bevölkerung der bosnischen Muslime, hatte der Krieg hinterlassen. Nur wenige Überlebende wurden entschädigt, und seit Kriegsende 1995 bestatten sie Jahr für Jahr die exhumierten, damals heimlich von den Tätern in Massengräbern verscharrten Opfer.

Die Weltöffentlichkeit hatte den Zerfallskriegen mit wachsendem Entsetzen, aber untätig zugesehen. Erst mit dem Eingreifen der Nato – auf Drängen von US-Außenministerin Madeleine Albright – fanden die „ethnischen Säuberungen“ ein Ende. Bis heute ist Bosnien und Herzegowina eine wirtschaftlich marode Nachkriegslandschaft. Gegen Armut und Korruption kamen auch die Millionenhilfen aus der internationalen Gemeinschaft bisher nicht an.

Über Jahre hatte Mladic unbehelligt im Haus von Verwandten gewohnt

Zum Zeitpunkt der Anklage war Mladic, wie alle Haupttäter, auf der Flucht, erst am 26. Mai 2011 wurde er in Serbien gefasst, wo er unbehelligt im Haus von Verwandten gelebt hatte. Mehrmals gab es Berichte und Gerüchte darüber, dass Mladic sogar in geselligen Runden in Belgrader Restaurants gesehen worden sei. In Serbien gilt der Kriegsverbrecher bis heute bei Teilen der Bevölkerung als Held.

Zu den Tatvorwürfen gegen Mladic zählte die Belagerung von Sarajewo, bei der Scharfschützen und Artillerie von den umliegenden Hügeln aus die Stadt monatelang terrorisierten. Die ursprüngliche Anklage wurde später von der Staatsanwaltschaft um den Klagepunkt Völkermord im Fall Srebrenica erweitert, hinzu kam der Vorwurf der Geiselnahme von Soldaten der Unprofor-Truppe der Vereinten Nationen. Mit dem Abkommen von Dayton, ausgehandelt vom US-Diplomaten Richard Holbrooke, das im Dezember 1995 den Krieg beendete, war Ratko Mladic, wie dem damals ebenfalls flüchtigen Radovan Karadzic, jegliche politische Betätigung untersagt.

Insgesamt wurden in Den Haag 161 Beschuldigte angeklagt

Der Fall Mladic ist der letzte am UN- Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien. Angeklagt wurden dort seit Beginn insgesamt 161 Beschuldigte, verurteilt 83, davon 60 serbische Kriegsverbrecher. Der weitaus prominenteste Angeklagte, der ehemalige Präsident und Kriegstreiber Slobodan Milosevic, verstarb ohne Urteil in der Haft, was für die Anklagebehörde als ihre bitterste Niederlage galt. 19 Mal gab es Freisprüche, unter anderem für mehrere kroatische und bosnisch-muslimische Angeklagte, weshalb der Strafgerichtshof bei nationalistischen Serben zunehmend als parteilich in Verruf geriet. Unterdessen hat Mladic angekündigt, dass er in Berufung geht. Viel Aussicht auf Erfolg dürfte dies nicht haben.

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