Internationale Medien: Hochachtung für Deutschlands Flüchtlingspolitik
In den internationalen Medien findet das Engagement Deutschlands für die Flüchtlinge große Beachtung. In den Kommentaren kommt Hochachtung zum Ausdruck - und auch die Mahnung zu gesamteuropäischer Solidarität.
Die Aufnahme Hunderttausender Flüchtlinge in Deutschland wird in den internationalen Medien ausführlich gewürdigt. In das Lob mischen sich auch kritische Töne über mangelnde gesamteuropäische Solidarität.
"Warum wollen alle nach Deutschland, warum weckt dieses Land ähnliche Sehnsüchte wie einst Amerika?", fragt die Wiener Tageszeitung "Die Presse". "Manche Gründe sind banal: Es ist ein Land, das jeder kennt, das bevölkerungsreichste in Europa. Andere sind hoch rational: Es ist die wichtigste Wirtschaftsmacht der EU, hat die geringste Arbeitslosigkeit und einen ausgebauten Sozialstaat. (...) Dazu kommen großzügige Regelungen für Asylwerber, etwa, dass sie schon nach drei Monaten arbeiten dürfen. Zudem bewahrheitet sich ein Klischee: Das Gemeinwesen funktioniert besser als anderswo. Behörden und Helfer spielen fast reibungslos zusammen." Nach Ansicht der Zeitung geht es aber noch um mehr: "Um etwas, was bisher nur in Sonntagsreden stattgefunden hat: eine deutsche Willkommenskultur."
Weiter heißt es in dem Blatt: "Die Bilder von einem weltoffenen, freundlichen Deutschland gehen um den Globus. Auch wenn der Anlass weit ernster ist: Es ist wie damals, zur Fußball-WM 2006 - ein zweites Sommermärchen.“
Die Turiner Zeitung „La Stampa“ schreibt: „Eine der Lehren aus dem Geschehen um die Flüchtlinge ist, dass die Politik noch funktioniert. Es reichte aus, dass in Deutschland ein Politiker sagte ,Wir nehmen sie', damit sich das ganze Land, von einfachen Bürgern bis zu den Staatsapparaten, in Bewegung setzt, um Worte zu Taten zu machen. Angela Merkel ist nicht irgendein Politiker, und seit jeher versteht es Deutschland, eine Kriegsmaschine zu sein, auch wenn es für den Frieden arbeitet. Aber die Reaktion einer ganzen Gemeinschaft auf die Aussagen der Kanzlerin weist über deren Persönlichkeit hinaus und macht klar, dass die deutsche Führungsschicht ihre Durchsetzungskraft noch nicht verloren hat. Der Pakt des Vertrauens von Führung und Volk funktioniert noch.“
Zur Unterstellung des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban, dass die Flüchtlinge aus materiellen Gründen nach Deutschland strebten, schreibt die links-liberale ungarische Tageszeitung „Nepszabadsag“: „Es ist schwer zu glauben, dass die (Flüchtlinge) nur deswegen nicht in Griechenland, Mazedonien, Serbien oder Ungarn bleiben, weil sie den deutschen Wohlstand vor Augen haben: Jedenfalls haben die ungarischen Behörden und die Regierung in den letzten Monaten genug dafür getan, um den Betroffenen das Gefühl zu geben, dass hier (in Ungarn) nicht ihre Endstation ist. Europas wirkliche Grenzen haben sich in den letzten 25 Jahren um keinen Zentimeter verschoben: Sie sind nicht da, wo das Pro-Kopf-Einkommen den europäischen Durchschnitt erreicht, sondern da, wo die fundamentalen Menschenrechte unter keinen Umständen, auch nicht in Krisensituationen, der politischen Willkür unterliegen.“
Im Schweizer „Tagesanzeiger“ heißt es: „Eben noch hatten keifende Hetzer, pöbelnde Glatzen und flackernde Asylunterkünfte das Bild bestimmt, und nun das: Deutschland heißt die Elenden der Welt geradezu überbordend willkommen. Hunderttausende Flüchtlinge kommen, und Hunderttausende von freiwilligen und professionellen Helfern nehmen sie applaudierend in Empfang. (...) Schafft Deutschland das? Das weiß natürlich niemand, aber man kann mit einer Gegenfrage antworten: Wer, wenn nicht Deutschland? Wann, wenn nicht jetzt? Für eine Krise ist der Moment ausgesprochen günstig. Die Flüchtlinge kommen, weil es Deutschland unverschämt gut geht. Die Wirtschaft ist mit Abstand die stärkste Europas. (...) Auch mental ist der Moment günstig. Selten schien Deutschland entspannter, weltoffener, großzügiger. Die neue Macht in der Mitte des Kontinents hat die Deutschen nicht arrogant, sondern auf unverkrampfte Art selbstsicher und verantwortungsbewusst gemacht.“
In der Mailänder Tageszeitung „Corriere della Sera“ ist über die Haltung Deutschlands in der Flüchtlingskrise zu lesen: „Die Aufnahme der Flüchtlinge in Deutschland ist nicht die Entscheidung einer linken Regierung. Es ist die Entscheidung der Führerin der rechten Mitte Europas, Angela Merkel. (...) Und wo ist die italienische Rechte? Ist sie bereit, ihren Teil beizutragen in den Regionen und Städten, die sie verwaltet? Oder ist sie in der Propaganda gefangen? Ist sie für das deutsche Modell oder für das ungarische? (...) Merkel hat es verstanden, der wachsenden Fremdenfeindlichkeit entgegen zu treten. Es hat sich die Verantwortungsethik durchgesetzt, die auch Großbritannien beeinflusst hat. In unserem Land dagegen sind wir ständig gespalten zwischen Gutmenschen und Panikmachern.“
Die katholische französische Tageszeitung „La Croix“ vergleicht das französische mit dem deutschen Engagement für die Flüchtlinge: „Mitten in der Bewältigung der Krise hat sich der Staatschef (François Hollande) nicht lange mit der französische Ausnahmerolle in der Asylfrage befasst. Zu Recht: Unser Land befindet sich im europäischen Mittelfeld. (...) Während also Frankreich mit 60 000 Asylanträgen rechnet, eine praktisch stabile Zahl in diesem Jahr, werden es in Deutschland 800 000 sein. Von Frankreich werden mehr Bemühungen erwartet werden. Und François Hollande weiß das.“ (Tsp/dpa)