„Seid ihr denn des Wahnsinns?“: Hitziger Streit auf AfD-Parteitag über Rede von Meuthen
Parteichef Meuthen habe die Bühne „zur Abrechnung“ missbraucht, kritisieren Delegierte. Gauland verließ den Parteitag wegen einer Verletzung.
Der AfD-Parteitag in Kalkar hat am Sonntag fast zwei Stunden lang kontrovers über den Auftritt von Parteichef Jörg Meuthen vom Vortag debattiert. Ein Antrag, in dem ihm "spalterisches Gebaren" bescheinigt wird, kam letztendlich aber nicht zur Abstimmung. Mehr als 20 Redner meldeten sich zu Wort. Ein Teil von ihnen nahm Meuthen demonstrativ in Schutz, der andere Teil warf ihm parteischädigendes Verhalten vor.
Die Debatte entzündete sich an einem Antrag des Kreisvorstands Freiburg, hinter dem der ultrarechte AfD-Kommunalpolitiker Dubravko Mandic stand. "Der Bundesparteitag missbilligt das spalterische Gebaren von Bundessprecher Jörg Meuthen und seinen Parteigängern", stand im Antragstext. "Er stellt fest, dass der Absturz in der Wählergunst kausal genau damit zusammenhängt."
"Hören Sie auf mit Ihrem Spalterkurs", sagte Mandic in seiner Antragsbegründung an die Adresse Meuthens. Es sei "Blödsinn", dass AfD-Mitglieder und Funktionäre "disziplinlos" seien, sagte er mit Blick auf den entsprechenden Vorwurf.
Der stellvertretende AfD-Vorsitzende Stephan Brandner kritisierte die Rede Meuthens als "Torpedo". Er habe damit der AfD und dem Parteitag "schweren Schaden" zugefügt. Meuthen sei auf einem "Irrweg", den er bereits im Frühjahr "mit der Spaltungsdebatte eingeleitet" habe, so Brandner.
In seiner Rede hatte Meuthen am Samstag scharfe Kritik an „Provokateuren“ in den eigenen Reihen geübt und die Partei zu „Disziplin“ ermahnt. Er warnte vor aggressivem Auftreten und enthemmter Sprache sowie davor, sich ohne Einschränkung mit der „Querdenker“-Bewegung gemein zu machen.
Dafür musste Meuthen heftige Kritik einstecken. „Wir brauchen eine Führung, die mutig und die freundlich ist“, beides sei bei Meuthen nicht zu erkennen, sagte Birgit Bessin, die am Sonntag auf dem Parteitag in Kalkar am Niederrhein für den Landesverband Brandenburg sprach.
Interne Kritik an öffentlichem Streit
Meuthen habe die Bühne „zur Abrechnung“ missbraucht, womöglich weil er sich mit seinen Vorschlägen für ein Rentenkonzept nicht habe durchsetzen können.
„Seid ihr denn des Wahnsinns?“, fragte anschließend der Bundestagsabgeordnete Norbert Kleinwächter aus Brandenburg. Anstatt eine öffentliche Debatte über den Parteivorsitzenden anzuzetteln, sollte mögliche Kritik intern besprochen werden.
Am Samstag hatten die mehr als 500 Delegierten ein sozialpolitisches Konzept beschlossen, das einen flexibleren Renteneintritt vorsieht und Altersarmut von Menschen mit langjähriger Erwerbstätigkeit verhindern soll. Bei Nachwahlen zum Bundesvorstand setzten sich drei Kandidaten durch, die dem gemäßigteren Lager zugerechnet werden, als dessen Sachwalter sich Meuthen selbst versteht.
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Von den 600 Delegierten waren am Sonntag vormittags laut Versammlungsleitung 483 Delegierte anwesend. Um eine Verbreitung des Coronavirus auf dem Parteitag zu verhindern, hatte das Ordnungsamt in Kalkar eine Maskenpflicht für jeden, der nicht am Mikrofon steht, angeordnet.
AfD-Fraktionschef Gauland hat Parteitag verlassen
Der Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, Alexander Gauland, hatte nach Angaben von Parteifreunden am Sonntag den Bundesparteitag verlassen. Wie ein Mitglied des Parteivorstandes der Deutschen Presse-Agentur bestätigte, fühlte sich der 79-jährige am Morgen nicht gut. Es sei aber nichts Ernstes.
Ein Sprecher sagte, dem Ehrenvorsitzenden sei in der Nase eine kleine Ader geplatzt. Nach Angaben aus Parteikreisen verließ Gauland das Gelände mit einem Krankenwagen in Begleitung von zwei Fahrzeugen mit Berliner Kennzeichen.
Wie der „Spiegel“ berichtet, war der 79-Jährige am Sonntagmorgen offenbar gestürzt. Demnach wurde der Politiker im Krankenhaus ärztlich untersucht. Ob Gauland am weiteren Verlauf des Parteitags teilnehmen werde, ist dem Bericht zufolge noch unklar.
Auch Gauland hatte am Samstag scharfe Kritik an Meuthen geübt, nachdem dieser unter anderem Gaulands Wortwahl angegriffen hatte. Meuthen hatte gesagt, in Deutschland herrsche keine „Corona-Diktatur“.
Gauland hatte in einer Rede im Bundestag von einer „Corona-Diktatur auf Widerruf“ gesprochen. In einem Interview sagte Gauland in Kalkar, er brauche nicht „irgendwelche Zensuren von Jörg Meuthen für die Fraktionsführung“. (dpa)