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Ursula von der Leyen (CDU) rechnet mit weiteren Enthüllungen über rechtsradikale Vorkommnisse in der Bundeswehr.
© Vincent Kessler/Reuters

Bundeswehr und Rechtsextremismus: Hitlergruß in Riga

Soldaten mit rechter Gesinnung müssen nicht unbedingt damit rechnen, entlassen zu werden. Die Ministerin will dem nun nachgehen.

Die Äußerungen der Verteidigungsministerin hatten es in sich. „Es wird noch viel hochkommen, das ist gar keine Frage“, sagte Ursula von der Leyen (CDU) am Sonntagabend in der Fernsehsendung „Anne Will“. Nach dem Skandal um den rechtsradikalen und terrorverdächtigen Oberleutnant Franco A. steht wieder einmal die Frage im Raum, ob die Bundeswehr ein Sammelbecken für junge Männer und Frauen mit rechter Gesinnung ist. Und ob Vorgesetzte bewusst wegschauen. Leyen hat Aufklärung versprochen und unter anderem ihren Generalinspekteur angewiesen, Kasernen und andere Bundeswehrgebäude nach Wehrmachtsdevotionalien zu durchforsten. Am Heimatstandort von Franco A. waren Landser-Abbildungen und Wehrmachtswaffen zur Schau gestellt worden.

Die Aussagen der Ministerin deuten aber darauf hin, dass es um mehr geht als fragwürdige Traditionspflege. Ihr Sprecher erklärte am Montag, es gebe ein „erhöhtes Meldeaufkommen“ zu Vorkommnissen in der Truppe seit Bekanntwerden des Falles Franco A. Details nannte er nicht. Die Ministerin konkretisierte ihre Andeutungen bisher ebenfalls nicht.

Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels, der die Meldungen ebenfalls bekommt, spricht von „einigen Nachmeldungen“ aus denen er derzeit „noch keinen Trend“ erkennen könne. Vergleichbares mit dem Fall Franco A. sei nicht dabei, sagte Bartels dem Tagesspiegel. Grundsätzlich sei die Distanzierung der offiziellen Bundeswehr von der Wehrmacht „fast vollständig abgeschlossen“, so Bartels weiter. Früher habe es eine ganze Reihe von Kasernen gegeben, die nach Nazis benannt gewesen seien, und entsprechende – offizielle – Wehrmachts-Traditionsräume.

Wehrbeauftragter mahnt Konsequenzen an

In seinem letzten Wehrbericht listete Bartels insgesamt 63 meldepflichtige Ereignisse mit Verdacht auf Extremismus auf. Die meisten hatten einen rechten Hintergrund. „Zu anderen Zeiten gab es schon mehr Vorkommnisse“, sagt er. Dennoch mahnt er, die Bundeswehr müsse bei der Personalauswahl genau aufpassen. „Leute mit rechtsextremer Gesinnung haben in einer demokratischen Armee keinen Platz.“ Auch müsse konsequent durchgegriffen werden, wenn Soldaten durch rechtsextreme Äußerungen auffielen. „Wir sollten hier mindestens dieselben Maßstäbe anlegen wie beim Drogenmissbrauch. Da gilt: Wer nicht bei Sinnen ist, fliegt raus.“ Ein Soldat, der 2016 in Riga den Hitlergruß zeigte, wurde hingegen nicht entlassen, wie aus einer Regierungsantwort auf eine Anfrage der Linkspartei zu rechtsextremen Vorkommnissen in der Bundeswehr hervorgeht.

Der frühere Grünenpolitiker Winfried Nachtwei, Mitglied im Beirat Innere Führung des Verteidigungsministeriums, kritisiert indes, „dass das Ministerium erst aktiv wird, wenn etwas passiert“. Dem Tagesspiegel sagte er: „Es fehlt ein Frühwarnsystem.“ Konkret fordert Nachtwei regelmäßige sozialwissenschaftliche Untersuchungen in der Bundeswehr. Das Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr frage zwar regelmäßig die Einstellung der Bevölkerung zur Bundeswehr ab, nicht aber Einstellungen der Soldaten. „Wir erleben seit rund zwei Jahren eine Teilradikalisierung der Gesellschaft, da stellt sich doch die Frage, wie sich das auf die Bundeswehr auswirkt.“

Schülerpraktikantin als Aufklärerin

Eine Schülerpraktikantin machte da so ihre eigenen Erfahrungen, wie aus der Regierungsantwort hervorgeht. Im Bericht über ihr Praktikum bei der Bundeswehr zitierte sie rechtsextremistische und fremdenfeindliche Äußerungen und Witze, die Soldaten in ihrer Gegenwart tätigten. Ihre Lehrerin gab das an die Bundeswehr weiter. Die Soldaten kamen mit einem „strengen Verweis“ davon.

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