EU-Terrorliste: Hisbollah - militant und hilfsbereit zugleich
Im vergangenen Juli wurde ein Attentat auf Israelis im bulgarischen Burgas verübt. Trotz der Vermutung, dass die Hisbollah hinter dem Attentat steckt, tut sich die Europäische Union schwer damit, die Schiiten-Miliz auf ihre Terrorliste zu setzen.
Der Brief ist knapp gehalten, höflich formuliert und hat dennoch ein klares Anliegen. Das Schreiben stammt von Ronald Lauder, dem Präsidenten des World Jewish Congress. Und gerichtet sind die zehn Sätze an Bundeskanzlerin Angela Merkel. Lauder erinnert daran, dass Sofia klare Hinweise darauf habe, dass die Islamisten der Hisbollah für den Anschlag auf israelische Touristen im Juli 2012 im bulgarischen Burgas verantwortlich sind. Somit habe die Schiiten-Miliz erstmals auf dem Territorium der Europäischen Union Menschen getötet. Lauder weist darauf hin, dass die vom Iran gegründete Organisation in vielen Teilen der Welt als Terrorgruppe eingestuft werde. Um dann zu fragen: Unterstützt Ihre Regierung das Vorhaben, die Hisbollah auf die EU-Terrorliste zu setzen?
Das war vor gut zwei Wochen. Bislang ist keine Antwort aus dem Kanzleramt beim Jüdischen Weltkongress eingegangen. Auch die übrigen 26 Staats- und Regierungschefs der EU, die in einem gleichlautenden Schreiben um Auskunft gebeten wurden, hüllen sich in Schweigen.
Kein Wunder. Die Frage, ob die Hisbollah auf die EU-Terrorliste gehört, ist gleichermaßen umstritten wie politisch heikel. Das gilt sowohl für die deutsche Ebene als auch für die Diskussion in Brüssel. Die Gegner eines derartigen Schritts berufen sich darauf, dass Bulgarien noch keine stichhaltigen Beweise für die Täterschaft der Hisbollah vorgelegt habe. Hinter vorgehaltener Hand ist dann oft davon die Rede, die USA und Israel würden Druck auf Sofia ausüben. Zudem wird betont, die Liste habe kaum mehr als symbolischen Charakter. Für die Befürworter einer Listung steht wiederum fest, dass die „Partei Gottes“ zweifellos terroristischen Charakter hat, also geächtet gehört. So könne man ein klares Zeichen setzen.
Beim Auswärtigen Amt in Berlin heißt es auf Anfrage gewohnt diplomatisch zurückhaltend: „Es ist jetzt wichtig, dass die bulgarische Regierung ihre Bewertung der Vorkommnisse schnellstmöglich zugänglich macht, damit in der EU darüber so schnell wie möglich befunden werden kann. Sollte eine Verbindung von Hisbollah zum Attentat von Burgas nachgewiesen sein, dann darf das nicht ohne Konsequenzen bleiben.“
Zu denen, die auf konkrete Konsequenzen hoffen, gehört Philipp Mißfelder. Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag ist seit langem von der Gefährlichkeit der Hisbollah überzeugt und drängt darauf, die Miliz auf die EU-Liste zu setzen. Für Mißfelder steht nicht nur die terroristische Prägung der Miliz außer Frage – der CDU-Politiker ist zudem davon überzeugt, dass sie den libanesischen Staat destabilisiert, ja „aushöhlt“. Die Aufnahme in die Terrorliste könnte nach Ansicht Mißfelders unter anderem dabei helfen, die Finanzströme (siehe Kasten) der Hisbollah besser zu kontrollieren und diese gegebenenfalls zu unterbinden.
Jerzy Montag ist da deutlich zurückhaltender. Der rechtspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion hält die Debatte über die Hisbollah und die Terrorliste für Augenwischerei. Denn wenn die Miliz auf die Liste gesetzt würde, hätte das allenfalls zur Folge, dass in der EU vorhandene Vermögenswerte der Schiiten-Organisation eingefroren würden – wenn man sie denn überhaupt aufspürte. Doch so sei Terrorismus nicht beizukommen. „Viel wichtiger ist es, Attentäter und ihre Hintermänner effektiv strafrechtlich zu verfolgen.“ Dafür gebe es jedoch bereits Dutzende Richtlinien.
Ähnlich wie andere Bundestagsabgeordnete betont der Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe außerdem, dass es sich bei der Schiiten-Organisation um eine Art Zwitterwesen handele. Zum einen sei die Hisbollah eine gewählte politische Partei im Libanon, die sogar Regierungsmitglieder stelle. Und es dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass die Hisbollah gerade im Süden des Landes wie eine Sozialeinrichtung agiere, die den Menschen im Alltag helfe. Dieser Teil der „Partei Gottes“ gehöre sicherlich nicht auf eine Liste der EU, meint Montag. Zum anderen verfüge die Gruppierung aber zweifellos über einen gewalttätigen, aggressiv militanten Arm, der darauf ausgerichtet sei, Israel zu vernichten. Diesen als terroristisch einzustufen, sei prinzipiell richtig.
Doch selbst für einen solchen „kleinsten gemeinsamen Nenner“ gibt es derzeit offenkundig keine Mehrheit in der EU. Bei einem Treffen der Außenminister in Brüssel vor einigen Tagen gab es dem Vernehmen nach keine eingehende Diskussion darüber, ob die Hisbollah gegebenenfalls auf die Terrorliste gesetzt werden sollte. Auch habe es keinen formellen Antrag des bulgarischen Außenministers mit diesem Ziel gegeben.
Damit die Hisbollah überhaupt auf der EU-Terrorliste vermerkt werden könnte, wäre Einstimmigkeit unter den 27 Mitgliedstaaten nötig. Davon kann gegenwärtig keine Rede sein. Lediglich die Niederlande stufen die Schiiten-Gruppe als Terrororganisation ein. Zahlreiche andere Staaten wie Frankreich, Italien, Zypern und Malta lehnen dies hingegen ab. Ebenso wie Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn. „Wenn man eine Organisation auf die Liste setzt, braucht man hieb- und stichfeste Beweise“, sagt Asselborn im Gespräch mit dem Tagesspiegel mit Blick auf den Anschlag in Bulgarien. Wenn die Hisbollah unter den terroristischen Organisationen geführt werde, könne wegen deren Beteiligung an der Regierung im Libanon auch die dortige politische Stabilität gefährdet werden, warnt Luxemburgs Außenminister.
Diese Argumentation hält Ronald Lauder für wenig plausibel. Weder würde ein Verbot der Hisbollah in Europa den Libanon destabilisieren – das habe sie bereits hinlänglich getan – noch machte es Europa zu einer neuen Zielscheibe der hochgerüsteten Kämpfer. Das sei nämlich mit dem Attentat von Burgas längst geschehen, betont der Chef des World Jewish Congress. „Die EU sollte deshalb ihr Herumlavieren schleunigst beenden und die Hisbollah auf die Liste der verbotenen terroristischen Organisationen setzen.“ Schließlich müsse der Kampf gegen den internationalen Terrorismus von allen Staaten mitgetragen werden, denn nur so könne er erfolgreich sein. „Da muss man sich fragen: Worauf warten die Verantwortlichen in der EU und den Mitgliedstaaten eigentlich noch?“