zum Hauptinhalt
Gekommen, um zu bleiben - die Aufnahmestelle für Flüchtlinge in Zirndorf.
© dpa

Asylrecht im Bundesrat: Hilfe aus der Not

Nun ist es amtlich, das Asylrecht wurde verschärft: Die Bundesregierung hat drei Balkanländer zu sicheren Herkunftsstaaten deklariert. Auch der Bundesrat hat zugestimmt. Die Asylrechtsänderung ist richtig, damit den wirklich Verfolgten schneller geholfen werden kann. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Hartherz gegen Weichherz, mitleidslos gegen nächstenlieb, verdrängungsgesteuert gegen geschichtsbewusst, verstockt gegen offen. Bei keinem Thema wird politische Überzeugung mit größerer moralischer Verve vorgetragen als beim Asylrecht. Das war schon Anfang der neunziger Jahre so, als das bis dahin schrankenlos geltende Asylgrundrecht durch den sogenannten Asylkompromiss ersetzt wurde. Günter Grass trat damals wutschnaubend aus der SPD aus, weil nicht nur für ihn das großzügig interpretierte Asylrecht als deutsche Selbstverpflichtung unmittelbar aus den Erfahrungen der NS-Zeit resultierte. Das alte Asylrecht galt als Signal an die Weltgemeinschaft, dass Deutschland sich gewandelt habe. Vor diesem Hintergrund wirkte der Asylkompromiss wie ein Verrat an den Idealen des Nachkriegsdeutschlands.

Humanitär aufgeladen ist das Thema auch heute wieder. Die Bundesregierung hat die drei Balkanstaaten Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina zu sicheren Herkunftsstaaten deklariert. Mehr als ein Fünftel der 115 000 Asylanträge, die in diesem Jahr in Deutschland gestellt wurden, stammen von dort, die Anerkennungsquote allerdings liegt zwischen 0,0 und 0,1 Prozent. Die Verfahren sind langwierig – in der Regel acht Monate, manchmal länger als ein Jahr – und verursachen hohe Kosten. Im Bundestag war das Gesetz mit den Stimmen von Union und SPD bereits verabschiedet worden, an diesem Freitag stimmte auch der Bundesrat zu.

Die tausendfache Bearbeitung aussichtsloser Asylanträge verhindert die rasche und effiziente Hilfe

Amnesty International und Pro Asyl warnten vor jeder Änderung. „Das Recht auf Asyl darf nicht zur Verhandlungsmasse werden“, heißt es. Auf der anderen Seite schlug der Städtetag Alarm, weil viele Kommunen mit den stark steigenden Asylbewerberzahlen überfordert sind. Die Unterkünfte sind in fast allen Bundesländern überfüllt, in Schleswig-Holstein und Bayern müssen Flüchtlinge gar in Zelten übernachten. Allein 2013 sind mit 127 000 Menschen mehr Asylbewerber nach Deutschland gekommen als in den Jahren 2006 bis 2009 zusammen.

In einer ideal-humanitären Welt dürfen solche Zahlen keine Rolle spielen. Dann muss man halt mehr Unterkünfte bauen, mehr Personal einstellen, ad infinitum. In einer real-humanitären Welt indes sind die Mittel beschränkt, und die Verantwortlichen stehen vor einem Dilemma: Die tausendfache Bearbeitung aussichtsloser Asylanträge verhindert die rasche und effiziente Hilfe für die wirklich Notleidenden, für Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien zum Beispiel. Es mag zynisch klingen, die einen gegen die anderen argumentativ zu benutzen, doch es reflektiert die traurige, bittere Realität vor Ort. Wer alle gleich behandelt, benachteiligt jene, die tatsächlich vor Verfolgung, Folter und Krieg geflohen sind und nicht „bloß“ einer sozialen Misere entkommen wollen.

Der Zugang zum Arbeitsmarkt muss vereinfacht, das Sozialrecht modernisiert werden

Es ist richtig, dass Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt wurden, Albanien und Montenegro sollten folgen. Unabhängig davon müssen dringend mehr Asylbewerberheime gebaut, der Zugang zum Arbeitsmarkt vereinfacht und das Sozialrecht modernisiert werden. Nicht zuletzt die verfahrene Situation rund um die Berliner Gerhart-Hauptmann-Schule lehrt: Hilfe, die sich an der Praxis orientiert, ist meist sinnvoller als eine, die mit Moral überfrachtet wird.

Zur Startseite