Der Kampf gegen Landminen: Heimtückische Hinterlassenschaft
20 Jahre nach der Unterzeichnung des Abkommens über das Verbot von Antipersonenminen ist die Welt noch immer nicht minenfrei.
Landminen gehören zu den heimtückischsten und grausamsten Waffen. Selbst Jahrzehnte nach einem Konflikt töten und verstümmeln sie wehrlose Opfer – Kinder, die Minen für Spielzeug halten, Bauern, die bei der Feldarbeit auf sie stoßen. Als genau vor 20 Jahren in der kanadischen Hauptstadt Ottawa die „Ottawa-Konvention“, das internationale Abkommen über das Verbot von Antipersonenminen, unterzeichnet wurde, galt dies daher als großer Abrüstungserfolg. Minenfrei ist die Welt allerdings auch heute nicht.
Am heutigen Montag kommen in Ottawa erneut Organisationen wie die „Internationale Kampagne für das Verbot von Landminen“ (ICBL), Handicap International und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz zusammen. Für sie ist die Umsetzung des Ottawa-Vertrags auch nach 20 Jahren ein „unvollendetes Geschäft“, wie der Titel der Konferenz, „unfinished Business“, deutlich macht. „Dieser Vertrag ist ein Erfolg“, sagt Adam Jasinski vom Halo Trust, der in 19 Ländern 7800 Mitarbeiter im Einsatz hat. Sie spüren Sprengsätze auf, entschärfen und vernichten sie. „Aber wer glaubt, Landminen seien ein historisches Problem, der irrt. Immer noch leben viele Menschen mit der Bedrohung durch Minen, immer wieder werden Menschen getötet und verletzt. In Konflikten wie in der Ukraine, in Syrien und im Irak werden Minen eingesetzt.“
Am 3. und 4. Dezember 1997 hatten in Ottawa Vertreter von 122 Staaten das Abkommen unterzeichnet, das Einsatz, Lagerung, Herstellung und Weitergabe von Antipersonenminen verbietet und ihre Vernichtung vorschreibt. Wenige Tage später wurden die ICBL und ihre Exekutivdirektorin Jody Williams in Oslo mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Der Landminenvertrag trat am 1. März 1999 in Kraft und wurde bisher von 162 Staaten ratifiziert. Nach Angaben der ICBL sind 34 Staaten der Konvention nicht beigetreten, darunter die USA, Russland, China, Indien, Kuba, Israel, Nord- und Südkorea und Syrien. Der Vertrag sei „eine globale Erfolgsstory, ein Wegbereiter der humanitären Abrüstung“, erklärte auch Thomas Hajnoczi, Botschafter Österreichs bei den Vereinten Nationen in Genf. Österreich hat die Präsidentschaft für die 16. Vertragsstaatenkonferenz des Ottawa-Vertrags, die vom 18. bis 21. Dezember in Wien stattfinden wird. Um die Konvention vollständig zu erfüllen, müssten die Anstrengungen auf nationaler und internationaler Ebene verdoppelt werden, sagt er.
Seit Inkrafttreten des Vertrags wurden mehr als 51 Millionen Antipersonenminen vernichtet
Die Zeit drängt: Vor drei Jahren hatten sich die Vertragsstaaten auf der Konferenz in Maputo, der Hauptstadt von Mosambik, das Ziel gesetzt, bis 2025 weltweit alle minenverseuchten Gebiete von Sprengkörpern zu befreien. Tatsächlich wurden seit Inkrafttreten des Ottawa-Vertrags mehr als 51 Millionen Antipersonenminen vernichtet. 91 Vertragsstaaten, die Minen besaßen, haben Bestände zerstört, 65 Vertragsstaaten besaßen keine Minen. 2016 mussten noch rund neun Millionen Minen, die im Besitz von Staaten sind, die dem Abkommen beigetreten sind, zerstört werden. Viele Millionen Minen lagern allerdings noch in den Depots von Staaten, die den Vertrag nicht ratifiziert haben. ICBL nennt unter anderem Russland (26 Millionen Minen), Pakistan (sechs Millionen), China und Indien (jeweils fünf Millionen) und die USA (drei Millionen Minen).
Die Zahl Minenopfer ging in den vergangenen 20 Jahren drastisch zurück. Waren es in den Jahren vor dem Ottawa-Vertrag jährlich 20 000 bis 25 000 Menschen, die durch Minen getötet oder verstümmelt wurden, wird die Zahl der Opfer für 2015 nur noch mit 6400 angegeben. In diesem Jahr stieg die Opferzahl allerdings wieder an – nicht nur durch Antipersonenminen, sondern auch durch sogenannte Improvised Explosive Devices, ferngesteuerte Minen, die vor allem gegen Fahrzeuge eingesetzt werden, Clustermunition und andere Sprengkörper.
Die finanzielle Unterstützung der Vertragsstaaten für Minenräumprojekte ging hingegen zurück. Die in Ottawa vertretenen Organisationen wollen das nicht hinnehmen. Immer noch würden rund 60 Millionen Menschen durch Landminen und nicht explodierte Bomben bedroht, hieß es zu Beginn der Konferenz. Konflikte in Syrien, im Irak und anderswo hätten zudem neue Krisengebiete geschaffen. In Ländern wie Angola, Kambodscha und Zimbabwe behinderten Minen aus längst beendeten Kriegen weiter die Entwicklung ländlicher Gebiete.
Minenräumen ist eine mühsame und kostspielige Arbeit. „Mosambik konnte erst nach zwanzig Jahren des Minenräumens für minenfrei erklärt werden“, sagt Adam Jasinski. „Minen sind billig und sehr leicht zu legen. Sie aufzuspüren, ist jedoch ein langwieriger, gefährlicher Prozess“, erläutert er. Metalldetektoren reagierten auch auf völlig harmlose Metallteile. Bei jedem Hinweis auf Metall im Boden müsse in betroffenen Gebieten aber zunächst von einer Mine ausgegangen werden, was aufwendige Sicherheitsvorkehrungen erfordere.
Die Teilnehmer der am Montag in Ottawa beginnenden Konferenz hoffen, dass die Vertragsstaaten künftig wieder mehr Geld für diese Aufgabe zur Verfügung stellen. „Wir glauben, dass das Ziel, bis 2025 alle verminten Gebiete zu säubern, erreicht werden kann. Es ist ein ambitioniertes Ziel, aber wir können es schaffen“, sagt Erin Hunt von Mines Action Canada.
Auch die Hilfe für Minenopfer muss gesichert werden. Sie brauchen Prothesen und physiotherapeutische Hilfe. Für diese Menschen seien „die Kosten von Nichthandeln katastrophal: zerbrochene Leben, Tragödien, verstümmelte Zukunft“, sagt Jerome Bobin, Exekutivdirektor von Handicap International Canada. Die Konferenz in Ottawa soll nach dem Willen der Teilnehmer deutlich machen, dass die Vision einer Welt ohne Landminen trotz aller Erfolge bedroht ist.
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