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Donald Trump während einer Pressekonferenz am Samstag in Bedminster.
© Jonathan Ernst/Reuters
Update

Rechte Gewalt in Charlottesville: Heftige Kritik an Reaktion des US-Präsidenten

Nachdem Gewalt bei einer rechten Kundgebung in Virginia ausartet, wendet sich Donald Trump gegen Hass und Vorurteile - aber nennt die Schuldigen nicht beim Namen.

Nach den schweren Ausschreitungen mit mehreren Toten und vielen Verletzten in Charlottesville wird US-Präsident Donald Trump heftig für seine Reaktion kritisiert. Er verurteilte am Samstagabend zwar die „ungeheuerliche Gewalt“ vom Samstag, „Hass und Vorurteile“, aber nannte dabei die Kundgebung der Rechtsextremisten nicht direkt. Stattdessen sprach er pauschal von „Hass, Intoleranz und Gewalt auf vielen Seiten“. Damit stellte er die Neonazis und die Gegendemonstranten auf eine Stufe. Mit keinem Wort äußerte er Abscheu über die Veranstaltung der Rechtsextremen.

Eine klare Aussage kam aus der US-Regierung lediglich von Trumps Sicherheitsberater Herbert Raymond McMaster, der von „Terrorismus“ der Rechten sprach. Eine Sprecherin Trumps sagte laut „New York Times“ am Sonntag, „natürlich“ habe der Präsident auch die Gewalt der Rechtsextremisten verurteilt. Von Trump selbst lag aber keine entsprechende Stellungnahme vor.

Die US-Regierung will ihre Popularität bei Rechten nicht verspielen

Offenbar will die Regierung mit der indirekten Distanzierung ihren Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen, ohne die Popularität von Trump bei den Rechtsradikalen zu gefährden.

Die rechtsradikale Szene in den USA schöpft denn auch Zuversicht: Rechtsextreme Medien meldeten einen „Sieg“ für die Bewegung. Der Organisator der Demonstration von Charlottesville, Jason Kessler, kündigte neue Aktionen der Rechtsradikalen in der Stadt an. Das Recht der Kundgebungsteilnehmer auf Versammlungsfreiheit sei durch das Verbot der Demonstration vom Samstag verletzt worden, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters.

Der Bürgermeister von Charlottesville, Michael Signer, beschuldigte den Präsidenten, er habe die rechtsradikale Szene zu Gewalttaten ermuntert. „Schauen sie sich seinen Wahlkampf an“, sagte der demokratische Politiker Signer im Fernsehsender CNN am Sonntag. Jeder – auch Trump – müsse gegen Rassismus kämpfen.

Kritik auch von Republikanern

Kommentatoren in verschiedenen Fernsehsendungen äußerten scharfe Kritik an der nach ihrer Ansicht nach laschen Reaktion des Präsidenten, dessen Wahl in rechtsextremen Kreisen bejubelt worden war. Kritiker haben Trump bereits in der Vergangenheit angelastet, sich nicht genügend von den Rechten distanziert zu haben.

Notiert wurde auch, dass sich Trump am Samstag überhaupt erstmals - via Twitter - zur Gewalt in Charlottesville äußerte, nachdem Dutzende andere Politiker auch aus republikanischen Kreisen sie bereits stark verurteilt hatten. Dazu zählten der Vorsitzende des Abgeordnetenhauses, Paul Ryan, sowie die prominenten Senatoren Marco Rubio und Orrin Hatch. Es sei "sehr wichtig, dass der Präsident die Ereignisse als das beschreibt, was sie sind: als Terroranschlag weißer Rassisten", erklärte Rubio.

Der dienstälteste republikanische Senator, Hatch, forderte: "Wir müssen das Übel beim Namen nennen. Mein Bruder hat nicht sein Leben im Kampf gegen Hitler gegeben, damit Nazi-Gedankengut hier zuhause ohne Widerstand akzeptiert wird."

US-Justizminister Jeff Sessions, gegen den früher selbst Rassismus-Vorwürfe erhoben wurden, erklärte: "Wenn Rassismus und Hass zu solchen Handlungen führen, dann ist das Verrat an unseren wichtigsten Werten und kann nicht toleriert werden."

Politische Gegner werfen Trump vor, durch seine Rhetorik den rechten Rand zu stärken. Trumps Ex-Wahlkampfgegnerin Hillary Clinton twitterte: "Jede Minute, in der wir dies durch stillschweigende Ermunterung oder durch Nicht-Handeln hinnehmen, ist eine Schande."

Auch der demokratische Gouverneur von Virginia, Terry McAuliffe, richtete eine äußerst scharf formulierte Botschaft an die Rechtsextremisten. „Ihr seid hier nicht willkommen“, sagte er auf einer Pressekonferenz. „Geht nach Hause. Nehmt euren Hass und eure Vorurteile mit. Es gibt hier keinen Platz für euch, und es gibt keinen Platz für euch in Amerika.“

An der Kundgebung unter dem Motto „Vereinigt die Rechte“ hatten schätzungsweise mehrere Tausend Menschen aus verschiedenen ultrarechten Gruppen teilgenommen, so Angehörige der Alt-Right- Bewegung, Neonazis und Ku-Klux-Klan-Anhänger, darunter auch deren ehemaliger Führer David Duke. Anlass für die Demonstration war ein Stadtratsbeschluss, eine Statue des Konföderierten-Generals Robert E. Lee aus dem Amerikanischen Bürgerkrieg zu entfernen.

Nach Fernseh- und Augenzeugenberichten waren mehrere Kundgebungsteilnehmer mit Baseballschlägern gekommen, schon Stunden vor der Veranstaltung kam es zu heftigen Prügeleien mit Gegendemonstranten. Die mutmaßliche gezielte Autoattacke ereignete sich nach Medienberichten, als ein Großteil der Kundgebungsteilnehmer bereits abgezogen waren und die Gegendemonstranten einen eigenen Protestzug bildeten.

Trump hatte sich nach einem ersten allgemeinen verurteilenden Tweet bei einem Auftritt an seinem Urlaubsort in Bedminister geäußert. Es gebe in Amerika „keinen Platz“ für Gewaltausbrüche wie den in Charlottesville, sagte er, ohne in Einzelheiten zu gehen. Er rief seine Landsleute dazu auf, zusammenzustehen und einander - ungeachtet aller Differenzen - „zu lieben“. Er versprach außerdem eine „rasche Wiederherstellung von Recht und Ordnung“ und verwies auf die jüngsten Errungenschaften im Land, die seiner Regierung zu verdanken seien: Die sinkende Arbeitslosenquote, die Rückkehr von Produktionsjobs aus dem Ausland, die Verhandlungen über Handelsabkommen - all das sei großartig für das Land und die amerikanischen Arbeiter. „Es passieren so viele unglaubliche Dinge in unserem Land. Wenn ich Charlottesville anschaue, scheint es mir sehr, sehr traurig“. (mit AFP,dpa)

Thomas Seibert

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