Rechtsruck in Europa: Hass und Ängste schüren
Ungarn ist kein Einzelfall: Rechtspopulisten und Rechtsextremisten feiern in Europa Erfolge.
Berlin - Der Wahlerfolg der Rechtsextremisten in Ungarn ist ein Schock für das demokratische Europa, doch keineswegs ein singuläres Ereignis. Die 16,7 Prozent für Jobbik (Die Besseren) sind Teil eines schon lange währenden Trends zu ultrarechten Parteien, die allerdings neben ideologischen Gemeinsamkeiten auch beträchtliche Unterschiede aufweisen. Der gemeinsame Nenner von Jobbik, der niederländischen Partij voor de Vrijheid (Partei für die Freiheit), der Lega Nord in Italien, der Perussuomalaiset (Wahre Finnen) und weiteren Formationen dieser Art ist die Forderung nach rabiater Abgrenzung gegenüber ethnischen Minderheiten. Die Feindbilder haben allerdings teilweise andere Konturen. Jobbik und weitere osteuropäische Pendants konzentrieren ihre Hetze vor allem auf Roma und oft auch auf Juden, in Westeuropa agitieren Rechtspopulisten und Rechtsextremisten primär gegen Ausländer und den Islam. Und der Zuspruch der Wähler kann stark schwanken.
In den Niederlanden werden dem islamfeindlichen Demagogen Geert Wilders und seiner Partij voor de Vrijheid (PVV) bei den Parlamentswahlen im Juni größere Gewinne prophezeit. Im März hatte die PVV bei den Kommunalwahlen große Erfolge in den zwei Städten gefeiert, in denen sie angetreten war. In Almere wurde sie stärkste Kraft, in Den Haag kam sie auf den zweiten Platz. Allerdings sind die Umfragen nicht mehr ganz so triumphal, seitdem die sozialdemokratische Partei der Arbeit im März den populären Ex-Bürgermeister von Amsterdam, Job Cohen, als Spitzenkandidaten präsentierte. Und in Österreich werden die Rechtspopulisten bei der Bundespräsidentenwahl am 25. April vermutlich einen Dämpfer hinnehmen müssen. Die Kandidatin der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), Barbara Rosenkranz, stürzte in den Umfragen von 26 Prozent auf zwölf Prozent ab. Rosenkranz hatte im März zumindest in Teilen das österreichische NS-Verbotsgesetz infrage gestellt. Angesichts der landesweiten Empörung musste Rosenkranz zurückrudern, auch auf Druck ihrer eigenen Partei.
Die Grenzen zwischen populistischen und extremistischen Einstellungen sind bei den ultrarechten Parteien oft fließend. Einige sind allerdings eindeutig als rechtsextrem einzustufen. Dazu zählt die ungarische Jobbik mit ihrer Hasspropaganda gegen Roma und Juden, mit Großungarn-Visionen und den SA-ähnlichen Aufmärschen ihrer „Ungarischen Garde“. Ein weiteres Indiz sind die Kontakte zu deutschen Rechtsextremisten, darunter zur NPD. Ähnlich rüde tritt die British National Party auf, deren Chef Nick Griffin 2009 in Skinheadmanier vorschlug, Boote mit afrikanischen Flüchtlingen zu versenken.
Andere westeuropäische Rechtsaußenparteien bemühen sich um ein modernes Antlitz und geben sich sogar offen israelfreundlich. Aus taktischem Kalkül: Der Vlaams Belang (Belgien), Geert Wilders’ PVV und die deutsche, bislang weitgehend auf Nordrhein-Westfalen beschränkte Pro-Bewegung wollen ihre islamfeindliche Propaganda auch mit dem Verweis auf jüdische Ängste vor islamistischem Terror rechtfertigen. Antisemitismus wird abgelehnt, jedenfalls in der Öffentlichkeit. Der Rassismus fokussiert sich auf Muslime statt auf Juden. Doch die Mechanismen der Erzeugung von Angst und Hass ändern sich nicht.
In einigen Ländern gelang es den Ultrarechten, Einfluss auf die Regierungspolitik zu nehmen. In der Slowakei ist seit 2006 die romafeindliche Slovenská národná strana (Slowakische Nationalpartei) einer der beiden Koalitionspartner des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Robert Fico. In Dänemark ist die liberal-konservative Koalition unter Premierminister Lars Løkke Rasmussen von der Duldung der ausländerfeindlichen Dansk Folkeparti (Dänische Volkspartei) abhängig. Das ging auch schon unter Rasmussens Vorgänger so. Und die Dansk Folkeparti erzwang eine drastische Verschärfung des Ausländerrechts. Anderes Beispiel: Dank der harten antiislamischen Propaganda der Schweizerischen Volkspartei (SVP) ist seit der landesweiten Abstimmung vom November 2009 der Bau von Minaretten im Land der Eidgenossen verboten.
International arbeiten die Ultrarechten trotz ideologischer Nähe nur punktuell zusammen. Im November 2007 zerbrach im Europaparlament nach nicht einmal einem Jahr die Fraktion „Identität, Tradition, Souveränität“, in der Abgeordnete aus sieben Ländern gesessen hatten.