Nachwuchstalent Sebastian Herkner: Handwerkskunst trifft Zeitgeist
Der Offenbacher Nachwuchsdesigner Sebastian Herkner ist die große deutsche Hoffnung. Sein Traum ist es, einmal eine Küche jenseits des Hochglanz-Looks zu entwerfen.
Wenn man Sebastian Herkner auf dem Salone del Mobile in Mailand begegnet, kann man sich schwer vorstellen, dass er vor wenigen Jahren noch in Offenbach zur Uni ging. An den Ständen großer Möbelfirmen wie ClassiCon und Moroso bewegt er sich wie ein alter Hase auf dem weltweit wichtigsten Branchentreff. Er begrüßt Entwicklerteams und Firmenchefs mit Handschlag und zeigt seine neusten Kreationen auf dem iPad.
Sebastian Herkner, Jahrgang 1981, ist momentan die größte deutsche Designhoffnung. 2012 brachte er mit ClassiCon den „Bell Table“ heraus. Der mundgeblasene Glastisch mit Metallplatte stellt Konventionen auf den Kopf: Statt wie sonst üblich eine Glasplatte auf ein Metallgestell zu montieren, bildet der farbige Glassockel bei diesem Objekt das Fundament. Passend dazu gibt es die „Bell Lamp“, eine Pendelleuchte aus Glas und Metall.
„Beide Entwürfe sind von 2009“, sagt Sebastian Herkner. „Damals habe ich sie auf dem Salone Satelite ausgestellt, der Nachwuchsveranstaltung der Mailänder Möbelmesse. Es war mir wichtig, mit echten Materialien wie Messing und Kupfer zu arbeiten. Zu der Zeit war das kaum vertreten außer vielleicht bei Tom Dixon. Mittlerweile entspricht es dem Zeitgeist.“
Bevor der Tisch bei der deutschen Firma ClassiCon herauskam, war er ein Jahr bei einer spanischen Firma. Doch die ging pleite. „Ich war natürlich frustriert“, gibt Sebastian Herkner zu. Doch das Blatt wendete sich mit einem Anruf von Oliver Holy, dem Geschäftsführer von ClassiCon. Er hatte den Tisch in der deutschen „AD“ gesehen. „Das war im Frühherbst 2011. 2012 haben wir ihn präsentiert“, sagt der Herkner, der 2011 den Nachwuchspreis des Designpreises der Bundesrepublik Deutschland gewann.
Die Resonanz war enorm. Alle wichtigen internationalen Designzeitschriften zeigten das Produkt und wollten wissen, wer der Designer dahinter ist. Sebastian Herkner glaubt das Geheimnis des Tischs zu kennen: „Er kommt gut an, weil er zum einen modern ist, zum anderen aber auch eine gewisse Eleganz und Klassik mitbringt. Man zahlt den Preis gerne, den er durch die aufwendige Herstellung hat. Außerdem passt er zu ClassiCon, fügt sich in die Kollektion gut ein.“
Dabei ist der Herstellungsprozess alles andere als einfach. Schon als Sebastian Herkner den Prototyp produzieren lassen wollte, musste er lange nach einer Glasbläserei suchen. „Das ist ja kein Produkt, das einfach so aus der Maschine fällt“, sagt er. Bei der Glasmanufaktur Freiherr von Poschinger im Bayerischen Wald wurde Sebastian Herkner fündig. Der Familienbetrieb stellt seit 445 Jahren Spezialanfertigungen aus Glas her. Nach dem Prototyp wird jetzt auch die Serie dort produziert. „Sie sind gerade sehr fleißig, denn der ‚Bell Table' ist global erfolgreich“, freut sich Sebastian Herkner.
Genauso wichtig wie die Zusammenarbeit mit ClassiCon ist ihm seine Kooperation mit Moroso, ebenfalls eine Traummarke für viele Produktdesigner. Im vergangenen Jahr zeigte er am Stand der Kultfirma den Sessel „Coat“ mit einer Anti-Rutsch-Bedruckung wie bei Kindersocken. In diesem Jahr legte er mit einer Sofa-Version nach.
Außerdem gestaltete er den Stuhl „Banjooli“ für die Afrika-Kollektion von Moroso. Auch hierbei setze Sebastian Herkner auf Handwerkskunst: „Der Stuhl wird aus einer Flechtfaser hergestellt, die in Afrika produziert wird und die typische Farbigkeit aufweist“, sagt er. „Seine Form ist inspiriert vom Balztanz des Straußenvogels, der im Senegal vorkommt. Der afrikanische Name des Tiers ist ‚Banjooli'.“
Hat er es geschafft?
Ist Sebastian Herkner mit diesen beiden Firmennamen im Portfolio der Durchbruch gelungen? „Den ‚Bell Table' verbinden sicherlich die meisten Leute mit meiner Person und das hilft auch in der Kommunikation“, wiegt Herkner ab. „Ich stand drei Jahre auf den Nachwuchsveranstaltungen der Messen und so ist es jetzt natürlich angenehmer. Aber es hat alles seine Vor- und Nachteile. Man bekommt durch so einen Tisch auch einen ganz anderen – ich will nicht sagen Leistungsdruck – aber Anspruch.“
Momentan arbeitet Sebastian Herkner an einer Armbanduhr und einem Tisch-Service. Sein Traum wäre es, einmal eine Küche zu gestalten. „Auf Partys ist das immer der beliebteste Ort. Es ist ein anspruchsvoller Raum, den jeder wahnsinnig individuell gestaltet“, sagt er. Hochglanz käme nicht in Frage. Für ihn müssen es echte Materialien sein. Die Imperfektion macht für ihn den Reiz eines Produktes aus.
Schon als Kind und Jugendlicher werkelte Sebastian Herkner gern. Er baute selber Möbel oder veränderte sie bei sich zu Hause im baden-württembergischen Bad Mergentheim. „Diese kreative Seite war einfach da. Auf alle Fälle wollte ich was mit den Händen machen“, sagt er. „Natürlich sitze ich auch am Computer und mache 3D-Zeichnungen, wenn man sie braucht. Das ist auch wichtig, aber man muss ja eh das Modell eins zu eins bauen. Ein kleines Produkt lässt sich vielleicht noch am Rechner entwerfen, aber bei einem Stuhl macht das keinen Sinn.“
Von 2001 bis 2007 studierte Sebastian Herkner an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach. Dort hat er bis heute sein Büro. Das heißt, eigentlich richtet er es gerade erst ein. Denn vorher war sein Wohnzimmer das Studio. Alle seine Eins-zu-eins-Modelle stehen dort. Jetzt ist er froh, dass das Slalomlaufen bald ein Ende hat.
Mit der Hochschule ist er nach wie vor eng verbunden. Zwar findet er keine Zeit mehr, um zu unterrichten, seine Praktikanten und Assistenten kommen aber von der Uni. „Dieser Austausch macht Spaß und ist mir unheimlich wichtig“, sagt er.
Sein Rat an Studierende: „So früh wie möglich anfangen, eigene Sachen zu machen. Man sollte die Möglichkeit nutzen, bei d3 auf der Möbelmesse in Köln, bei den Talents der Messe Frankfurt oder hier in Mailand auszustellen.“ Und dann heißt es: dran bleiben. „Man sollte möglichst jedes Jahr ein neues Produkt liefern, am Anfang vor allem für die Presse.“ Für den Erfolg spiele auch das Talent eine Rolle, „aber es sind auch so viele andere Faktoren wichtig, zum Beispiel Glück, Leidenschaft und Disziplin“, meint Sebastian Herkner. „Wenn man sich direkt nach dem Studium selbständig macht, braucht schon den Glauben, den Willen und die Unterstützung, um es zu schaffen. Man ist eine One-Man-Show und macht alles alleine, von den Messen bis zur Buchhaltung und Verträgen. Später kann man natürlich einiges abgeben.“
Hat er es geschafft? „Das sei mal dahin gestellt, das weiß ich auch nicht“, meint er nüchtern. „Ich bin sehr glücklich und dankbar dafür, aber eine Garantie hat man natürlich nicht und das ist auch gut so.“