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Mensch gegen Maschine. Demonstranten in Istanbul attackieren ein mit einem Wasserwerfer ausgerüstetes Fahrzeug der Polizei in Istanbul.
© AFP

Wieder schwere Krawalle in der Türkei: „Hände weg von meinem Internet“

In Istanbul kommen wieder Tränengas und Gummigeschosse zum Einsatz. Das neue Internetgesetz löst heftige Kritik aus. Die Szenen erinnern an die Gezi-Proteste vom Sommer vergangenen Jahres.

Der Streit um das neue Internetgesetz für die Türkei ist in Gewalt umgeschlagen. Mehrere tausend Demonstranten lieferten sich bei einer Protestkundgebung gegen das Gesetz am Samstagabend in Istanbul gewalttätige Auseinandersetzungen mit der Polizei. Zu den innenpolitischen Spannungen kommt außenpolitischer Krach: Türkische Regierungspolitiker griffen die EU wegen deren Kritik an dem Internetgesetz scharf an.

Tränengas, Wasserwerfer, Steine und Feuerwerkskörper – die Zusammenstöße zwischen Polizei und Demonstranten in der Nähe des zentralen Taksim-Platzes von Istanbul am Samstagabend erinnerten an die wochenlangen Gezi-Proteste vom vergangenen Juni. Sogar einige Parolen der Regierungsgegner stammten aus dem vergangenen Jahr: „Überall ist Taksim, überall ist Widerstand“, riefen sie.

„Haltet den Dieb“

Angesichts des Internetgesetzes und der Korruptionsvorwürfe gegen die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan kamen aber auch neue hinzu: „Hände weg von meinem Internet“ oder „Haltet den Dieb.“ Bis in die Nacht hinein dauerten die Scharmützel in den Seitenstraßen um den Taksim an, nach Angaben der Demonstranten gab es rund ein Dutzend Festnahmen und viele Verletzte. Auch in anderen türkischen Städten gab es Protestkundgebungen. Das Internetgesetz und die Korruptionsvorwürfe gegen Erdogan sind zu neuen Kristallisationspunkten für die Protestbewegung geworden.

Aus Sicht der Demonstranten und anderer Regierungsgegner ist das gerade verabschiedete Internetgesetz der jüngste Beweis für autoritäre Tendenzen der Regierung. Das Gesetz gibt den Behörden die Möglichkeit, in Fällen angeblicher Beleidigung einzelne Internetseiten ohne Gerichtsbeschluss zu sperren. Im Rahmen einer zweijährigen Datenspeicherung von Internetnutzern werden deren Bewegungen im Netz festgehalten; der Besuch von regierungskritischen Websites könnte bei der Strafverfolgung von Kritikern als Beweismittel herangezogen werden, befürchten Gegner des Gesetzes. Weil die Vorlage der Neuregelung mit dem Auftauchen immer neuer Korruptionsvorwürfe gegen die Regierung zusammenfiel, liegt für Erdogan-Kritiker der Verdacht auf der Hand, dass Ankara unliebsame Enthüllungen unterdrücken will. Nicht die Korruption werde bekämpft, sondern die Berichte darüber, schrieb der Kolumnist Melih Asik in der Zeitung „Milliyet“.

Erdogan: Internet werde nicht verboten, sondern „unter Kontrolle“ gebracht

Erdogan rechtfertigte die auch von der EU kritisierte Neuregelung mit der Feststellung, das Internet werde nicht verboten, sondern lediglich „unter Kontrolle“ gebracht. Durch das Gesetz werde das Netz freier und sicherer. Seine Regierung argumentiert unter anderem, das Gesetz solle Nutzer besser vor jugendgefährdenden Inhalten schützen. Die regierungsnahe Zeitung „Star“ bezeichnete die Kritiker des Gesetzes am Sonntag deshalb als „Porno-Lobby“.

Die Eskalation im Streit um das Gesetz erhöht den Druck auf Staatspräsident Abdullah Gül. Der Staatschef hat bis zum 21. Februar Zeit, um die Novelle durch seine Unterschrift in Kraft zu setzen, oder sein Veto einzulegen. In diesem Fall müsste das Parlament neu beraten. Wirtschaftsvertreter, die türkische Anwaltskammer, Journalistenverbände im In- und Ausland sowie die Opposition in Ankara rufen Gül auf, er solle das Gesetz ans Parlament zurückschicken.

Was ist von Gül zu erwarten?

Der Präsident sprach in den vergangenen Tagen sowohl mit Regierungsvertretern als auch mit Oppositionspolitikern über das Gesetz. Der Staatspräsident gilt als liberaler als Erdogan und als überzeugter EU-Anhänger. In der Vergangenheit hat er sich für eine möglichst unbeschränkte Freiheit des Internets ausgesprochen. Ob das darauf hindeutet, dass Gül das aktuelle Gesetz zurückweisen wird, ist aber nicht sicher. Vizepremier Besir Atalay, der Gül nahesteht, hatte das Gesetz in den vergangenen Tagen gegen die Kritik verteidigt.

Bei den Überlegungen des Staatsoberhauptes dürften auch die Bedenken der EU eine Rolle spielen. EU-Erweiterungskommissar Stefan Fülé sprach von „schwerwiegenden Bedenken“, Kommissionssprecher Peter Stano forderte Ankara zu Nachbesserungen auf. Erdogans Regierung reagierte verärgert auf die Kritik aus Brüssel. EU-Minister Mevlüt Cavusoglu warf der EU vor, aufgrund einseitiger Informationen über das Gesetz zu handeln. Er erwarte von den Europäern, dass sie sich um „korrekte und vollständige Informationen“ bemühen, bevor sie die Gesetzeslage in der Türkei kommentierten. Außenminister Ahmet Davutoglu hielt der EU vor, sie kritisiere das Gesetz, ohne es richtig verstanden zu haben.

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