Präsidentschaftswahlen in Frankreich: Hamon gewinnt Vorwahl der französischen Sozialisten
Der Parteilinke setzte sich gegen den früheren Premierminister Valls durch. Am 7. Mai wählen die Franzosen einen neuen Präsidenten. Fragen und Antworten zum Thema.
Der Parteilinke Benoît Hamon hat die Präsidentschaftsvorwahl von Frankreichs Sozialisten gewonnen. Der 49-jährige Abgeordnete setzte sich in der Stichwahl klar gegen den früheren Premierminister Manuel Valls durch, wie die Nachrichtenagentur AFP am Sonntagabend aus Parteikreisen erfuhr. Hamon tritt damit als Kandidat der Sozialisten bei der Präsidentschaftswahl in drei Monaten an. Bei der Vorwahl der Sozialisten ging es nicht nur um zwei verschiedene Kandidaten, sondern um zwei völlig verschiedene Ansichten von Politik und die zukünftige Ausrichtung der Sozialisten. Und darüber hinaus um zwei weitere Fragen, die die Zukunft Frankreichs und damit Europas bestimmen könnten: Wer ist der lachende Dritte? Und was bedeutet das alles für Marine Le Pen?
Wofür stehen die beiden Konkurrenten?
Valls vertritt den rechten Flügel der Sozialisten, Hamon den linken Flügel. Hamon hatte sich in der ersten Runde der Vorwahlen der Sozialisten am vergangenen Sonntag überraschend mit 36 Prozent deutlich gegenüber Valls mit 31,5 Prozent durchgesetzt. Der eine Utopist, der andere Realist – so werden sie jedenfalls in Frankreich gesehen. Hamon will einen linken Neuanfang wagen und sich von der Politik von François Hollande absetzen und plädiert für mehr Solidarität, Valls will die Hollande-Linie weiterführen und setzt auf Wirtschaftsnähe und Sparpolitik.
Valls thematisierte die Gegenpole: „Es geht nicht nur um schöne Träume, sondern auch um unsere Glaubwürdigkeit. Was Benoît vorschlägt, ist einfach illusorisch.“ So etwa das Grundeinkommen von 750 Euro im Monat, das Hamon für die ganze Bevölkerung ab 18 Jahren vorsieht. Valls kritisierte die Kosten dafür von 300 bis 450 Milliarden Euro.
Hamon steht für sozialistische Werte der traditionellen Art, so will er etwa eine Arbeitszeitverkürzung durchsetzen. Er ist ein Vertrauter der ehemaligen Arbeitsministerin Martine Aubry, die im Jahr 2000 die 35-Stunden-Woche einführte. Hamon denkt gar an eine 32-Stunden-Woche. Wie das finanziert werden soll? Für den „Träumer“, wie viele ihn in Frankreich nennen, sind weitere Schulden kein Problem.
Welche Chancen haben die Sozialisten?
Die zwischen dem linken und rechten Flügel zerstrittenen Sozialisten gelten nach der schwierigen Amtszeit von Hollande für die Präsidentschaftswahl als wenig aussichtsreich. Valls machte deshalb auch deutlich, wer der eigentliche Konkurrent für ihn ist: „Unser Gegner ist nur die Rechte.“ Und die Konservativen hatten den Sozialisten kurz vor dem Duell bestens den Ball zugespielt.
Schadet der Skandal um seine Frau Fillon?
Es wurde bekannt, dass der ehemalige Premierminister und konservative Präsidentschaftskandidat François Fillon, der neben Marine Le Pen vom rechtsextremen Front National als aussichtsreichster Kandidat für den zweiten Wahlgang – die Stichwahl am 7. Mai – gilt, in eine Geldaffäre verstrickt ist. Er ist wegen einer früheren Anstellung seiner Frau im Parlament ins Visier der Justiz geraten. Die Finanzstaatsanwaltschaft leitete eine Vorermittlung ein. Grund dafür ist eine Enthüllung der Wochenzeitung „Le Canard Enchaîné“, dass Fillon seine Frau Penelope jahrelang als parlamentarische Mitarbeiterin geführt hatte. Nur soll sie gar nicht im Parlament aufgetaucht sein, aber trotzdem in acht Jahren 500000 Euro aus der Parlamentskasse bezogen haben.
Es ist nicht verboten, Familienangehörige für sich arbeiten zu lassen, doch wenn sich der Verdacht des Missbrauchs öffentlicher Mittel bestätigt, würde die Affäre eine andere Dimension annehmen. Nun haben in Frankreich viele Politiker nicht gerade eine blütenweiße Weste, viele hatten schon mit der Justiz zu tun, meist ging es um Geld. Doch für Fillon stellt sich die Lage ein wenig anders dar. Er konnte mit seinem Image als Saubermann gegenüber Alain Juppé und Nicolas Sarkozy punkten, die beide schon in Affären verstrickt waren. Deshalb streitet Fillon vehement ab. „Das ist eine Stinkbombe“, sagte er bei einer Wahlveranstaltung. „Die Anschuldigungen sind frauenfeindlich. Nur weil sie meine Frau ist, darf sie nicht arbeiten?“ Wenn sie tatsächlich gearbeitet hat, sie selbst stellte sich immer als Hausfrau und Mutter der fünf gemeinsamen Kinder dar.
Wem nützt der Skandal um Fillon?
Fillon könnte das schaden und zwei anderen Kandidaten nützen, zum einen Le Pen, weil sie mit Fillon um konservative Wählerschichten, unter anderem auf dem Lande, im Wettstreit liegt. Aber vor allem dem früheren Wirtschaftsminister Emmanuel Macron, der eine sozialliberalere Linie fährt als die Sozialisten, für Wirtschaftsreformen steht und noch mehr konservative Wähler erobern muss. Er ist der lachende Dritte dieser Präsidentschaftswahlen, liegt in Umfragen dicht hinter Le Pen und Fillon und hat zuletzt aufgeholt. Er wird zum ernsthaften Konkurrenten für Fillon und die Stichwahl. Doch auch Le Pen hat Macron im Visier, weil er sich genauso wie sie als einen Vertreter außerhalb des „Systems“, außerhalb der etablierten politischen Klasse, darstellt. Sie lässt deshalb keine Gelegenheit aus, den ehemaligen Bankier als „Kandidaten des Systems“ zu bezeichnen. Doch auch Macron dürfte kaum verhindern können, dass Le Pen in die Stichwahl kommt.
Wer könnte Marine Le Pen noch Steine in den Weg werfen?
Auch wenn die Sozialisten selbst kaum Chancen haben, ist ihre Vorwahl doch für drei weitere Präsidentschaftskandidaten entscheidend. Einmal natürlich für Macron, der selbst zum linken Spektrum gehört. Er ist seit Tagen bei Wahlveranstaltungen höchst aktiv und versucht die Sozialisten und ihre Vorwahl in den Schatten zu stellen. Er kann sich die Hände reiben, wenn der linke Hamon das Rennen macht, dann dürften zahlreiche Anhänger der realistischeren Valls-Linie zu dem erst 39-Jährigen, der frischen Wind in die eingefahrene französische Politik bringen will, überlaufen. Er ist zudem erklärter Pro-Europäer, von allen Kandidaten steht er Europa am positivsten gegenüber.
Wenn Macron nicht auch noch ein Skandal dazwischenkommt. Denn in Frankreich wird darüber gerätselt, wie er seine politische Bewegung „En Marche“ finanziert hat. Mit Geldern aus dem Wirtschaftsministerium Bercy? Das behaupten jedenfalls die Journalisten Marion L’Hour und Frédéric Says in ihrem gerade erschienenen Buch mit dem Titel „Dans l’enfer de Bercy“ (In der Hölle von Bercy). Macron hat das schon abgestritten. Auch für den Linkspartei-Gründer Jean-Luc Mélenchon, der in Umfragen vor den Sozialisten liegt, ist die Vorwahl ausschlaggebend. Von Hamon ist er nur wenig zu unterscheiden, doch von Valls trennen ihn Welten, deshalb wäre eine Wahl von Valls für ihn einfacher. Und schließlich Marine Le Pen: Sie hat die Sozialisten zwar weniger als Konkurrenten ausgemacht als Fillon oder Macron, die ihr dicht in den Umfragen auf den Fersen sind. Dennoch: Hamon könnte ihr Stimmen abnehmen. Denn Le Pen, die gerne betont, dass sie „weder rechts noch links“ sei, setzt neben ihren ausländerfeindlichen Parolen auf mehr Solidarität und mehr Unterstützung für das einfache Volk, das auch Hamon anspricht.