Schwarz-Gelb: Haltung im Amateurkabinett
Sie haben lange und mehrfach zusammen regiert: Heute gönnen sich Angela Merkel (CDU) und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) gegenseitig kritisches Lob.
Angela Merkel verhaspelt sich. Dabei wollte sie bloß erzählen, dass Sabine Leutheusser-Schnarrenberger eine Frau mit Humor sei, was sie schon früh bei den Mindener „Stichlingen“ gezeigt habe, „Deutschlands ältestem Amateurkabinett“. Im Saal der Stiftung Familienunternehmen am Pariser Platz macht sich Kichern breit. „Amateurkabarett“ korrigiert Merkel, „Freud’sche Fehlleistung!“ Auf was man kommt als Kanzlerin, sobald welche von der FDP im Raum sind!
Vielleicht hat der Versprecher aber auch mit der leisen Spannung zu tun, die über diesem Termin liegt. Leutheusser-Schnarrenberger, die Ikone der Gesinnungsethik, hat ein Buch geschrieben mit dem programmatischen Titel: „Haltung ist Stärke.“ Merkel, die Virtuosin der Macht, stellt es vor. Da treffen zwei Archetypen des Politischen aufeinander.
Um es gleich vorwegzunehmen: An dem Gegensatz ändert sich nichts. Leutheusser hat zwar ihrer Laudatorin in ihrem Buch ein Unterkapitel mit der Zeile „Angela Merkel – Eine Politikerin mit Mut und Weitsicht“ gewidmet. Aber in der Frage, wie weit man Überzeugung hintanstellen darf, zieht die Ex-Justizministerin eine rigorose Grenze der Biegsamkeit. Freiheit sei ein Grundrecht, sagt die Erzliberale, Sicherheit nicht. In dem Buch wirft sie Merkel vor, beim Datenschutz vor Wirtschafts- und Sicherheitslobbys einzuknicken.
„Natürlich lohnt sich Haltung,“ ist Leutheusser sicher
Merkel nimmt das sportlich: „Das wär’ kein ehrliches Buch, wenn mir Frau Leutheusser-Schnarrenberger nicht auch ’nen Vorwurf machen würde!“ Sie besteht aber ihrerseits auf dem Wert des Kompromisses. Der sei oft in Verruf, doch im Grunde liege in ihm das Wesen der Demokratie. Ob sie selbst schon mal ans Hinwerfen um eines Prinzips willen gedacht habe, fragt der Moderator. Die Kanzlerin zögert ein bisschen mit der Antwort. „Ich lass’ es jetzt mal bei dem Befund, dass ich bisher nicht zurückgetreten bin.“
Und doch gibt es etwas, was die beiden auf den ersten Blick so gegensätzlichen Frauen verbindet, die sich seit den Tagen als Jungministerinnen für Familie und für Justiz in Helmut Kohls Kabinett kennen. Man könnte es die Wertschätzung des Verstandes als Mittel der Politik nennen. Merkels Art, Fakten zu sammeln und Folgen abzuwägen, bevor sie entscheide, habe ihr immer gefallen, schreibt Leutheusser. Mit der Freidemokratin habe man auch über schwierigste Fragen sachlich diskutieren können, erzählt Merkel.
Ob sich Haltung eigentlich lohnt, will einer aus dem Publikum noch wissen. „Natürlich lohnt sich Haltung,“ sprudelt Leutheusser los, „das kann dann wiederum andere ermutigen!“ Andererseits müsse man’s ja auch nicht übertreiben: „Nun tretet mal alle schnell zurück, wenn euch etwas nicht passt“ – nee, das sei nun auch keine Lösung.