Cyberkrieg: Hacker legen Bundes-Webseiten lahm
Die mutmaßlichen ukrainischen Hackerattacken auf deutsche Regierungswebseiten und den Bundestag erinnern an einen stillen Krieg ohne Regeln. Ein Kommentar.
Plötzlich war der Bundestag weg. Er verschwand gegen zehn Uhr morgens und blieb bis zum Nachmittag unauffindbar. Auch die Webseiten der Bundeskanzlerin und weiterer Regierungsstellen wurden Opfer eines Hackerangriffs. „Error 502“ meldete der Browser. Sonst nichts.
Eine pro-russische ukrainische Gruppe bekennt sich zu den Angriffen
Auf einer Webseite in russischer und englischer Sprache brüstete sich die prorussische ukrainische Gruppe „CyberBerkut“ mit dem Angriff. Bei einer Denial of Service Attacke werden die Server des Opfers mit unsinnigen Anfragen überflutet – bis sie zusammenbrechen. Der Grund sei der Besuch des ukrainischen Ministerpräsidenten Arseni Jazenjuk, der am Mittwoch in Berlin Sigmar Gabriel traf und am Abend Bundeskanzlerin Angela Merkel treffen sollte. Jazenjuk wolle in Deutschland noch mehr Geld für den Bürgerkrieg im Osten der Ukraine einwerben, schreiben die Hacker.Die Gruppierung hat nach eigenem Bekunden in der Vergangenheit auch Seiten der Nato attackiert. Die deutschen Behörden wollten sich zur Urheberschaft nicht äußern – solche Angriffe seien immer sehr schwer zurückzuverfolgen. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) will den Vorfall nun analysieren.
Spionage, Sabotage, Dos-Attacken - im Cyberkrieg machen alle alles
Es ist der zweite Vorfall innerhalb weniger Wochen, der in aller Sichtbarkeit (oder eben: Unsichtbarkeit) an den heimlichen Krieg erinnert, der mittlerweile beinahe alle internationalen Auseinandersetzungen begleitet. Nach der mutmaßlich nordkoreanischen Attacke auf Sony sind nun Bundesregierung und Bundestag erstmals öffentlich spürbar zur Zielscheibe geworden.
Hinter den Kulissen tobt stetig das technische Kräftemessen mit großer Regelmäßigkeit. Attacken auf repräsentative Webseiten sind dabei noch das geringste Problem, vielleicht eher vergleichbar mit virtueller Sachbeschädigung. Durchschnittlich einmal im Monat gab es 2014 einen derartigen Angriff auf Webseiten von Regierungsbehörden, heißt es im jüngst veröffentlichten Lagebericht des BSI. Insgesamt registriert das Amt rund 15 Attacken auf Regierungsnetze täglich, darunter auch ein gezielter Angriff mit „nachrichtendienstlichem Hintergrund“.
Propagandakrieg und Cyberkrieg sind kaum zu trennen
Schwerwiegender sind Sabotage und Spionage, die sich sowohl gegen die Behörden als auch gegen die Wirtschaft richten. Typisch an diesem Fall ist die unklare Urheberschaft. Eindeutig können die Urheber selten ermittelt werden – oder aber die Regierungen behalten die Belege für sich. So ist der Cyberkrieg immer auch ein Propagandakrieg, wie auch im Fall Sony deutlich wurde. Barack Obama beschuldigte Nordkorea, die Nordkoreaner wiesen das als Propaganda zurück und machten gleichzeitig deutlich, dass sie gekonnt und gewollten hätten. Ähnlich läuft es zwischen den USA und Russland: gegenseitige mehr oder weniger direkte Schuldzuschreibung der Cybersabotage, Spionage und informationellen Unterwanderung.
Die Grenzen zwischen Militär und Geheimdienst verschwimmen
Sowohl die unsichere Urheberschaft als auch die Verwischung der Grenze zwischen nachrichtendienstlichem und militärischem Handeln, zwischen Sabotage und Spionage, zwischen Staat und Cybermiliz zeichnet die Auseinandersetzung aus. Wird „Cyber Berkut“ von Russland unterstützt? Möglich ist es – aber noch schwieriger zu klären als die Frage, wo die zeichenlosen Panzer im Osten der Ukraine herkamen. Institutionell trennen viele Länder ebenfalls nicht zwischen Cyberspionage und Cybermilitär: In den USA hat NSA-Chef Michael Rogers auch die US Cyber Command unter sich.
Die Philosophien im Cyber-Krieg sind sehr unterschiedlich
Nicht nur deshalb, sondern auch wegen sehr unterschiedlicher Philosophien haben sich selbst die Nato-Partner bislang nicht auf eine gemeinsame Strategie im Cyberkrieg einigen können. Deutschland setzt auf Abwehr – während die USA aktiv mithacken. Hier ähnlich wie für den Krieg auf dem Boden Allianzen zu formen und Regeln für angemessene Reaktionen zu formulieren, gehört zu den großen Aufgaben der internationalen Politik in den nächsten Jahren.
Denn der Cyber-Krieg bleibt nicht im Netz. Als Reaktion auf die mutmaßliche nordkoreanische Attacke verhängten die USA neue Sanktionen gegen Nordkorea. Und je mehr Dienstleistungen die Regierungen online anbieten, desto stärker werden auch die Bürger in Zukunft betroffen sein, wenn www.bundesregierung.de mal wieder weg ist.
Anna Sauerbrey
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