Wikileaks-Unterstützer: Hacker kündigen weitere Cyber-Angriffe an
Nach den Attacken auf Webseiten von Kreditkarteninstituten kündigen Wikileaks-Unterstützer an, den "Daten-Krieg" ausweiten zu wollen. Der Wikileaks-Aussteiger Daniel Domscheit-Berg kritisiert seinen früheren Weggefährten Julian Assange.
Internet-Aktivisten blasen weiter zum "Daten-Krieg" gegen Gegner der Enthüllungsplattform Wikileaks. "Die Schlacht ist noch nicht vorbei", sagte ein Sprecher der Hacker-Gruppe "Anonymous" (Anonym) am Donnerstag in London dem britischen Sender BBC. Zuvor war unter anderem auch die Website des Kreditkarteninstituts Visa attackiert worden, die Zahlungen an Wikileaks eingestellt hatte.
"Wir wollen das Internet offen und frei für alle halten, so wie es immer war", sagte ein Sprecher der Hacker-Gruppe, der sich lediglich unter dem Pseudonym "Coldblood" (kaltblütig) zu erkennen gab. "Das ist ein Daten-Krieg", fügte er hinzu. Immer mehr Nutzer würden sich an sogenannten Botnetzen beteiligen, bei denen die geballte Rechenkraft von tausenden Computern für Angriffe auf Internetseiten genutzt werden kann.
"Wir haben mit etwa 50 Nutzern angefangen", erklärte die Hacker-Gruppe zuvor in einem Internet-Chat mit AFP. Mittlerweile zähle "Anonymous" bereits rund 4000 Unterstützer. Diese würden überall via Internet in aller Welt "rekrutiert", unter anderem in Foren, im sozialen Netzwerk Facebook und über den Kurznachrichtendienst Twitter. Mittlerweile wurden die Benutzerkonten der Hacker-Gruppe unter dem Namen "Operation Payback" ("Operation Rache") bei Facebook und Twitter allerdings gelöscht.
Zuvor war nach Angriffen auf die Internetseite von Mastercard auch die Seite des Kreditkarteninstituts Visa lahmgelegt worden. Visa.com war seit Mittwochabend 22.00 Uhr (MEZ) nicht mehr aufrufbar. Über Twitter hatte "Anonymous" das Startsignal für den Cyber-Angriff gegeben. Mastercard und Visa hatten nach der Veröffentlichung von geheimen US-Diplomatendepeschen auf Wikileaks Kreditkartenzahlungen an die Website eingestellt, das sich über Spenden finanziert. Weitere Ziele von Cyber-Attacken waren bislang auch die Schweizer Postbank Postfinance, die das Konto von Wikileaks-Mitbegründer Julian Assange gesperrt hatte, sowie das Bezahlsystem Paypal.
Angegriffen wurde nach der Verhaftung von Assange laut einem Pressebericht auch der Internet-Auftritt der schwedischen Regierung. Deren Website sei in der Nacht zum Donnerstag einige Stunden offline gewesen, berichtete die schwedische Zeitung "Aftonbladet". Attackiert wurde auch die Internet-Seite des schwedischen Anwalts im Strafverfahren gegen Assange, den die Hacker-Gruppe zum "Märtyrer der freien Meinungsäußerung" erklärte. Der 39-jährige Australier hatte sich am Dienstag in London gestellt und befindet sich seitdem in der britischen Hauptstadt in Haft. Ihm werden Sexualdelikte in Schweden zur Last gelegt. Über seine Auslieferung muss die britische Justiz entscheiden.
Auch Sarah Palin, die Galionsfigur der Ultrakonservativen in den USA, wurde zur Zielscheibe der Wikileaks-Unterstützer. Ihre Internetseite war vorübergehend blockiert. Dem Sender ABC News zufolge waren auch die Kreditkartenkonten von Palin und ihrem Mann betroffen. Palin hatte Assange unter anderem als "anti-amerikanischen Agenten" bezeichnet, "der Blut an den Händen hat". Auch die Webseite des US-Senators Joe Lieberman geriet ins Visier von Cyber-Angreifern. Er hatte an Unternehmen appelliert, ihre technische Unterstützung für Wikileaks einzustellen.
Wikileaks-Aussteiger kritisiert Assange
Der Wikileaks-Aussteiger Daniel Domscheit-Berg geht mit seinem früheren Weggefährten Julian Assange derweil hart ins Gericht. Die Art, wie die Enthüllungsplattform derzeit häppchenweise die vertraulichen Dokument des US-Außenministeriums veröffentliche, sei "Verrat an dem ursprünglichen Wikileaks-Prinzi", sagte Domscheit-Berg dem Wochenblatt "Der Freitag".
Der Grundgedanke der Organisation sei ursprünglich gewesen, dass „die Öffentlichkeit und möglichst viele Medien auf die Informationen Zugriff bekommen, ohne das jemand aus welchen Gründen auch immer diskriminiert wird“, betonte Domscheit-Berg. Er war im Streit mit Assange bei Wikileaks ausgeschieden und baut derzeit eine eigene Enthüllungsplattform mit dem Namen Openleaks auf.
Die wenigen Medien, denen Wikileaks Zugriff auf die kompletten Daten gewährt hat - etwa „Der Spiegel“ oder der britische "Guardian" - hätten dadurch einen Wettbewerbsvorteil bekommen. "Das heißt, Wikileaks ist nicht mehr neutral, sondern entscheidet vollkommen subjektiv, mit wem es nun zusammenarbeitet."
Auch Assange kritisierte der frühere Wikileaks-Sprecher direkt: "Ich finde, er hat die Organisation zu stark an sich geknüpft." Assange bekomme sehr viel Aufmerksamkeit. "Das war es dann aber auch fast schon." Irgendwann habe der Name "Julian Assange" bei Google News den Begriff "Wikileaks" überholt. "Das zeigt, dass es sich mehr um einen Hype um seine Person und vielleicht die politischen Konflikte der Organisation handelt, aber weniger um die veröffentlichten Inhalte", monierte Domscheit-Berg.
Der Internet-Aktivist schreibt derzeit ein Buch über seine Zeit bei Wikileaks. "Ich glaube, dass hinter den Kulissen viel abgelaufen ist, von dem die Öffentlichkeit erfahren sollte und von dem sie auch einen Mehrwert hat." Dies könne auch das Bild der Organisation Wikileaks wieder geraderücken sowohl im Positiven wie im Negativen.
Seine Plattform Openleaks solle als ein dezentrales System von sicheren elektronischen Briefkästen aufgebaut werden, erläuterte Domscheit-Berg. Die Idee ist, dass Journalisten sichere Briefkästen bekommen, an die Informanten Nachrichten schicken können, ohne die Gefahr entdeckt zu werden. (dpa/AFP)