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Klage mit Erfolg. Der Grünen-Politiker Konstantin von Notz am Dienstag im Bundesverfassungsgericht.
© Uli Deck / dpa

Transparenz im Staatshandeln: Gute Politik braucht wahre Information

Wieder schwieg die Regierung, wo sie hätte reden müssen, urteilt das Bundesverfassungsgericht. Sie hütet ihr Herrschaftswissen. Dabei müsste sie dringend teilen lernen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Parlamentarier aller Ränder, vereinigt euch. Als Opposition habt ihr das Recht, mehr von der Regierung zu wissen, als diese bisher für möglich hält. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Streit über Informationsrechte kommt zur rechten Zeit. Es stärkt das wirkungsvollste Instrument der Abgeordneten, um die Exekutive unter Druck zu setzen. Die neue Koalition, die schon alle Mühe hat, sich zu finden, wird auf mächtigen Widerstand treffen.

Geschäfte der Bahn sind kein Staatsgeheimnis

Aus Sicht von Bürgern und Wählern, die an einem lebendigen politischen Diskurs interessiert sind, ist das Urteil zu begrüßen. Es wird Informationen über diesen Staat zutage fördern, die bisher verborgen blieben. Die Worte der Richter vom „Verantwortungsbereich“ der Regierung, der sich auch auf einen Staatskonzern wie die Deutsche Bahn oder die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht erstrecke, geben zu denken. Darüber, warum sich die Regierung ihrer Verantwortung hier bisher entzogen hat. Es ist nämlich so: Weder sind amtliche Maßnahmen in Finanzkrisen ein Staatsgeheimnis noch die operativen Geschäfte eines Staatskonzerns. Davon kann es Ausnahmen geben, aber diese bedürfen einzelfallweise der Rechtfertigung. Zudem ist ein staatlich beherrschtes Unternehmen kein Grundrechtsträger und kann sich nur eingeschränkt auf Geschäftsgeheimnisse berufen. Und natürlich ist die Regierung auch für die ihr nachgeordneten Behörden zuständig.

Die Regierung gibt nur, was ihr abgetrotzt wird

Das alles ist so selbstverständlich, dass sich verfassungsrichterliche Feststellungen zu entsprechenden Auskunftspflichten erübrigen sollten. Sie tun es aber nicht. In Sachen Information und Transparenz braucht es regelmäßig Nachhilfe für die Regierung. Die gibt nur her, was ihr abgetrotzt wird. Und dann oft mit einem Geheim-Stempel drauf, der Parlamentarier zu strafbaren Verrätern macht, wenn sie öffentlich davon berichten würden.

Die Situation ist einigermaßen grotesk. Während der Wert von Information als Treib- und Schmierstoff der Digitalwirtschaft in keiner Managerrede unbesungen bleibt, hat man den Wert der Information als Treib- und Schmierstoff der Demokratie bisher nur in Karlsruhe entdeckt. Bundesregierungen sehen es traditionell anders. Sie sehen den Wert der Information vor allem als Treib- und Schmierstoff für sich selbst. Herrschaftswissen nannte sich das früher einmal, und es bezeichnet eine Technik der Macht. Keine der Demokratie.

Ein Thema für die Bürger - und die Presse

Insofern muss es auch nicht verwundern, wenn das Transparenzfähnlein im Bundestag nur sehr verhalten geschwungen wird, auch wenn es mal, wie im aktuellen Fall bei den Grünen, für eine Verfassungsklage reicht. Jede Opposition will irgendwann regieren. Und jeder Abgeordnete weiß, dass er im Prinzip ebenfalls ein Teil jener Staatsgewalt ist und sich Transparenzansprüche deshalb zumindest theoretisch auch gegen ihn wenden könnten.

Es bleibt deshalb ein Bürgerthema. Und eines der Presse, der schwächer werdenden vierten Gewalt. Es wirkt widersprüchlich, aber dem dramatischen Zuwachs an Öffentlichkeit durch das Internet steht nur ein bescheidener Zugewinn an staatlicher Information gegenüber. Doch die braucht es, um politische Alternativen zu entwickeln.

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