Nach Klimakonferenz: Gut Wetter machen
Die magere Abschlusserklärung von Kopenhagen wird international heftig kritisiert. Welchen Sinn haben solche Gipfeltreffen überhaupt?
Der Weltklimagipfel in Kopenhagen ist nach knapp zweiwöchigem harten Ringen weitgehend gescheitert und lediglich mit einem unverbindlichen Formelkompromiss zu Ende gegangen. Eine in letzter Minute von einer kleinen Staatenrunde ausgehandelte Absichtserklärung wurde am Samstag im Plenum der Konferenz nicht beschlossen, sondern nur „zur Kenntnis genommen“. Sie ist damit für die mehr als 190 Teilnehmerstaaten nicht rechtsverbindlich.
Woran ist der Gipfel gescheitert?
Man kann einzelne Schuldige benennen, deren Verhandlungspositionen weit reichende Beschlüsse verhinderten. Doch die Hauptursache des mageren Ergebnisses ist das Format. Je größer eine Konferenz und je vielfältiger der Teilnehmerkreis, desto kleiner nach aller Erfahrung der Konsens. In Kopenhagen hatten sich 193 Nationen versammelt und dazu viele NGO’s: Nichtregierungsorganisationen, die ebenfalls Mitsprache forderten. Alle behaupteten, sie hätten dasselbe Ziel – die Verhinderung einer Erderwärmung, die existenzbedrohende Ausmaße annehmen kann. Aber je nach geografischer Lage und wirtschaftlichem Entwicklungsstand hatten die Ländergruppen sehr verschiedene Vorstellungen, wie weit die Maßnahmen gehen sollten und welche Beiträge sie selbst leisten müssten.
Ein wichtiger Dissens betraf die Frage, wer vor allem Treibhausgase verringern müsse: die Industrieländer, die in der Vergangenheit den Großteil in die Luft geblasen haben, oder die Schwellenländer, die in den kommenden Jahrzehnten dank ihres Wirtschaftswachstums den Großteil des CO2 produzieren werden.
Nur ein Teil der Industrieländer, voran Japan und die EU-Staaten, war bereit zu einem rechtlich bindenden Abkommen, wonach sie ihre Emissionen rasch und signifikant reduzieren. In den USA, die mit Abstand die meiste Energie pro Kopf verbrauchen und den höchsten Ausstoß von Treibhausgasen produzieren, gibt es bisher keine Mehrheit für dieses Ziel. Deshalb konnte US-Präsident Barack Obama, erstens, nur eine „politisch bindende“ Zusage anbieten, und zweitens Reduktionsziele, die weit hinter denen Europas und Japans zurückbleiben. Amerika behilft sich zudem mit Berechnungstricks. Damit die Zahlen schöner aussehen, nehmen die USA 2005 als Vergleichsjahr und nicht 1990. Die angebotene Reduzierung der Emissionen bis 2020 um 17 Prozent gegenüber 2005 entspricht aber nur minus vier Prozent gegenüber 1990.
China wiederum, das inzwischen mehr CO2 in die Atmosphäre pustet als jedes andere Land, möchte weiter als eine Volkswirtschaft im Entwicklungsstadium angesehen werden, die keine bindenden Zusagen machen muss. Auch Peking trickst mit Zahlen und möchte die Entwicklung seiner Treibhausgase nach einem anderen System berechnen. Es sagt nicht deren absolute Reduzierung zu, sondern die Verringerung der CO2-Intensität seiner Wirtschaft. Das kann bei hohem Wirtschaftswachstum dazu führen, dass die Emissionen steigen, obwohl die CO2-Intensität auf dem Papier sinkt. Zudem verweigert China eine internationale Überprüfung seiner Fortschritte. Denn das verletze die staatliche Souveränität.
Während Industrie- und Schwellenländer die Verpflichtungen begrenzen wollten, konnten die Forderungen an die Erste und Zweite Welt den Entwicklungsländern gar nicht weit genug gehen. Diese Dritte Welt verlangt zudem einen Rettungsfonds mit bis zu 100 Milliarden Euro jährlich zu ihren Gunsten.
Kopenhagen scheiterte, weil diese strukturellen Differenzen zu groß waren – und weil die Frustration über fehlende Fortschritte zur psychologischen Eskalation führte. Die mächtigsten Staaten trafen sich schließlich in kleinem Kreis, um endlich zu Ergebnissen zu kommen – und die Länder, die sich ausgeschlossen fühlten und die Mehrheit bilden, begehrten gegen dieses „autoritäre Diktat“ auf.
Sind die Vereinten Nationen der richtige Rahmen?
Das hängt davon ab, was das oberste Ziel ist: Wenn alle Länder der Welt mitreden sollen, sind die UN das richtige Gremium. Wem konkrete, verbindliche Ergebnisse wichtiger sind, der wird einen kleineren Kreis vorziehen. Um jene Staaten einzubeziehen, die etwa 90 Prozent der Emissionen verursachen, müsste man 30 Länder einladen.
Den mageren Schlusskompromiss von Kopenhagen, den fast alle Teilnehmer zustimmend zur Kenntnis nahmen, haben fünf Nationen ausgehandelt: die USA, China, Indien, Brasilien und Südafrika. Die zwölf Punkte gehen im Kern auf die Absprachen von nur zwei Ländern zurück: Bei Obamas China-Besuch hatten er und Premier Wen Jiabao sie getroffen. Es war ebenfalls nur eine Handvoll Staaten, die den Minimalkompromiss in Kopenhagen verweigerten, voran Kuba, Saudi-Arabien, Sudan und Venezuela – Länder, die sowieso meistens außerhalb des internationalen Konsenses stehen.
Was müsste sich ändern?
Womöglich gar nicht so viel. Es ist sogar sehr wahrscheinlich, dass dieselben Teilnehmer bei der Folgekonferenz 2010 zu besseren Ergebnissen kommen – erstens, weil sie die Blamage nicht wiederholen möchten; zweitens, weil die meisten aus den Fehlern lernen und die destruktiven Dynamiken in den Schlussstunden von Kopenhagen vermeiden wollen. Alle möchten zwar ihre Interessen verteidigen. Aber niemand will als Hauptschuldiger für ein Scheitern dastehen.
Alternativ kann man Gremien mit weniger Teilnehmern beauftragen, die Grundzüge eines Klimaschutzabkommens auszuhandeln. Das Plenum der 193 Staaten sollte dann nur noch Details ändern, die Absprachen aber nicht mehr komplett in Frage stellen dürfen.
Welche anderen Gipfelformen gibt es?
Minimallösung wäre die G 2: China und die USA, nach Meinung vieler die beiden einflussreichsten Mächte der Zukunft. Die G 8 repräsentieren die größten Industriestaaten, doch fehlen dort wichtige Schwellenländer wie China, Indien und Brasilien. Vermutlich wäre ein Konferenzformat ungefähr in der Größe der G 20 der beste Kompromiss, um die wichtigsten Ländergruppen zu repräsentieren, aber zugleich Beschlussfähigkeit zu gewährleisten. Obamas Vorgänger George W. Bush hatte 2007 ein „Major Economies Forum“ zum Klimawandel einberufen – damals die 16 wichtigsten Volkswirtschaften –, um Maßnahmen gegen die Erderwärmung zu diskutieren. Sie konnten sich leichter einigen als die im selben Jahr tagende UN-Klimakonferenz in Bali und wurden zum Vorläufer der G-20-Treffen gegen die internationale Finanzkrise. Auch dort brachte man die Länder zusammen, die etwas zur Lösung des Problems beizutragen hatten. Entwicklungsländer fehlen dort freilich. Übertragen auf den Klimaschutz hieße das: Es ist wichtiger, jene Staaten zu versammeln, die Emissionen reduzieren müssen und die Rettungsmaßnahmen finanzieren sollen, als die Staaten, die nichts beitragen, sondern Nutznießer sein wollen und Teilnahme vor allem beanspruchen, weil auch sie betroffen sind.
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