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Der erste Bürgerrat starte 2019 unter großem Interesse - nun interessiert sich niemand über seine Ergebnisse.
© picture alliance/dpa/MDR Mitteld
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Umgang mit Bürgerräten: Grüne werfen Bundesregierung „Totalausfall“ bei Bürgerbeteiligung vor

Drei Bürgerräte gab es in dieser Legislatur. Doch deren Ergebnisse hat die Regierung nur „zur Kenntnis“ genommen. Die Grünen sind empört.

Kurz vor dem Ende der Wahlperiode werfen die Grünen der schwarz-roten Bundesregierung beim Thema Bürgerbeteiligung einen "Totalausfall" vor. Konkret geht es den Grünen um den Umgang der Regierung mit den drei Bürgerräten, die es in dieser Legislatur gab. Die hatten sich mit den Großthemen „Demokratie“ (2019), „Deutschlands Rolle in der Welt“ (2021) und „Klima“ (2021) beschäftigt.

Die Bundesregierung habe die Empfehlungen der drei Bürgerräte „mit Interesse zur Kenntnis genommen“, hieß es in der Antwort des Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage der Grünen, die dem Tagesspiegel exklusiv vorliegt. Viel mehr als zur Kenntnis scheinen die betroffenen Ressorts die Bürgerräte nicht genommen zu haben. „Weitere Schritte zur Umsetzung konkreter Empfehlungen bleiben jedoch der nächsten Bundesregierung vorbehalten“, heißt es in dem Antwortschreiben.

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Fragestellerin Anna Christmann, die auch Sprecherin für Bürgerschaftliches Engagement in der Grünen-Fraktion ist, geht dafür Union und SPD an: „Mit ihrer Ignoranz gegenüber den Ergebnissen bundesweiter Bürgerräten untermauert die große Koalition, wie wenig sie von Bürgerbeteiligung versteht“, sagte sie dem Tagesspiegel. Christmann kritisierte, dass es nicht einmal eine zuständige Person für den Umgang mit den Bürgerräten gebe. „Es stärkt den Politikverdruss und die Unzufriedenheit der Menschen in diesem Land, wenn Empfehlungen aus Beteiligungsverfahren ignoriert werden.“

Anna Christmann kritisiert die Bundesregierung.
Anna Christmann kritisiert die Bundesregierung.
© promo

Die Bundesregierung scheint selbst Defizite beim Umgang mit den Bürgerräten erkannt zu haben. In dem Antwortschreiben des Innenministeriums heißt es weiter, es sei Aufgabe der nächsten Bundesregierung, die Arbeit der Bürgerräte „noch besser mit der Bundesregierung zu vernetzen“. Man teile zudem die Auffassung, dass es ein „neues Verfahren für den Umgang mit Empfehlungen von Bürgerräten“ brauche.

Angesichts dessen wiederholte Christmann die Forderung der Grünen nach einem Beteiligungsgesetz. „Das Versanden der Empfehlungen der Bürgerräte zeigt, wie wichtig ein echtes Beteiligungsgesetz ist“, sagte Christmann. Einen entsprechenden Antrag für ein solches Beteiligungsgesetz hatten die Grünen zuletzt im März eingebracht.

Bundesregierung hatte das Thema eigentlich im Koalitionsvertrag

Darin fordern sie, dass ein Online-Beteiligungsportal und ein „Büro für Beteiligung“ beim Deutschen Bundestag eingerichtet wird. Als Vorbild wird unter anderem Baden-Württemberg genannt. Dort hat Grünen-Ministerpräsident Winfried Kretschmann bereits vor zehn Jahren die „Politik des Gehörtwerdens“ verkündet und mit Gisela Erler eine Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung installiert.

Eigentlich hatte die große Koalition das Thema auf ihrer Agenda. „Wir werden eine Expertenkommission einsetzen, die Vorschläge erarbeiten soll, ob und in welcher Form unsere bewährte parlamentarisch-repräsentative Demokratie durch weitere Elemente der Bürgerbeteiligung und direkter Demokratie ergänzt werden kann“, heißt es im Koalitionsvertrag von 2018 auf Seite 163. Doch umgesetzt wurde dieses Vorhaben nie.

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