Die neue Bahn: Grubes Baustelle
Die Deutsche Bahn wird angriffslustiger, experimentierfreudiger, preissensibler. Das war längst überfällig. Ein Kommentar.
Die Halbjahresbilanz der Deutschen Bahn trägt die Handschrift von Rüdiger Grube. Ganz buchstäblich. Auf der ersten Seite des Berichts haben die Layouter ein paar Zeilen aus der Feder des Vorstandsvorsitzenden faksimiliert. „Mit einer neuen Unternehmensstruktur machen wir die Deutsche Bahn fit für die Marktanforderungen des digitalen Zeitalters“, steht dort akkurat analog. „Herzlichst“ grüßt Grube von einem Foto. Locker, an einen Tisch gelehnt, hat er sich die Ärmel hochgekrempelt. Kein Anzug, keine Krawatte.
Deutlicher kann man es nicht machen: Der Chef persönlich packt es an. Rüdiger Grube ist so „schlank, schnell, effizient und kundenorientiert“, wie der Konzern einmal sein soll, wenn der Umbau erledigt ist. Ein Umbau, der vier Vorstände ihren Job kostet und allein in der Zentrale 700 Millionen Euro einsparen soll. Ein Umbau, der die Bahn zu einer großen Baustelle macht. Das Ziel ist, aus Verlusten Gewinne und aus einem Verlierer einen Gewinner im Wettbewerb der Verkehrsträger zu machen. 20 Jahre nach der Bahn-Reform wird der staatliche Schienenkonzern wieder einmal neu gestartet.
Eine weitere Äußerlichkeit ist in diesem Zusammenhang bemerkenswert: Auf dem Titelfoto des Zwischenberichts ist eine Apple-Uhr zu sehen, die die Abfahrtszeit eines ICEs vom Berliner Hauptbahnhof anzeigt. Das digitale Zeitalter beginnt in Hochgeschwindigkeit – und mindestens so cool wie bei Apple. Eine schöne Inszenierung, die mit dem Bild, das sich die Öffentlichkeit von der Bahn macht, wenig zu tun hat. Genervt von Streiks, Verspätungen, Tarifchaos und Servicepannen sind viele Reisende auf den Fernbus umgestiegen und lernen dort die komfortablen digitalen Informations- und Buchungssysteme zu schätzen. Auch im Güterverkehr ging wegen der Streiks jeder zehnte Kunde verloren.
Neue Köpfe machen noch keine neue Bahn
Natürlich weiß auch Rüdiger Grube zwischen Wunsch und Wirklichkeit zu unterscheiden. Gerade deshalb muss er sich den Vorwurf gefallen lassen, zu spät die Ärmel hochgekrempelt, unfähige Manager gefeuert und die Wünsche und Gewohnheiten seiner Kunden ernst genommen zu haben. Zu augenfällig waren die Versäumnisse des Managements im Personenverkehr, bei der Güterbahn, bei IT und Technik. Mancher fragt sich sogar, ob Grube selbst noch der Richtige an der Spitze ist. Immerhin verfehlt er seit Jahren zuverlässig die selbst gesteckten Ziele. Auch nach der Verantwortung von Personalchef Ulrich Weber, der im Amt bleibt, ist zu fragen. Immerhin kostet der desaströse Tarifstreit mit den Lokführern die Bahn einige hundert Millionen Euro.
Doch neue Köpfe allein machen noch keine neue Bahn. Auch nicht Ronald Pofalla, dessen vorzeitiger Aufstieg in die Chefetage kaum noch jemanden aufregt – ihn natürlich am wenigsten. So notwendig die Erneuerung der Bahn auch ist, am Ende müssen die Kunden etwas davon haben. Sie dürfte freuen, was der neue Vorstand für Verkehr und Transport, Berthold Huber, am Dienstag andeutete: Die Bahn wird angriffslustiger, experimentierfreudiger, preissensibler. Geht es in diese Richtung weiter, wacht vielleicht auch die Verkehrspolitik auf. Sie hat zuletzt viel dafür getan, Bus und Auto zu fördern und die Bahn sich selbst zu überlassen. Dabei geht es auf der Schiene auch anders. Mit etwas Glück reist man schon heute mit dem ICE für 20 Euro von Berlin nach Stuttgart. Da kommt kein Fernbus mit. Nur gemerkt hat es kaum jemand.