Coronavirus in Europa: Großbritannien und viele weitere Länder wagen Lockerungen
Der britische Premier verkündet Änderungen, die Franzosen können wieder ohne Passierschein vor die Tür: Die Lockerung der Corona-Regeln in Europa im Überblick.
Der britische Premierminister Boris Johnson hat am Sonntag für England eine vorsichtige Lockerung der Kontaktbeschränkungen in der Coronavirus-Pandemie angekündigt. „Die Zahl der Todesfälle ist tragisch, das Leiden immens“, sagte Johnson in einer im Fernsehen übertragenen Rede am Sonntagabend. Trotzdem sei es gelungen, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen. Daher könne nun in langsamen Schritten mit Lockerungen begonnen werden.
Die britischen Landesteile Schottland, Wales und Nordirland gehen indes ihren eigenen Weg und halten zunächst an den bestehenden Regeln fest.
Die Menschen in England werden nun nicht mehr dazu aufgerufen, zuhause zu bleiben, sondern „wachsam“ zu sein. Wer nicht von zuhause arbeiten könne, solle unter Beachtung der Abstandsregeln wieder zur Arbeit gehen, so Johnson. Öffentliche Verkehrsmittel sollten dabei möglichst gemieden werden.
Von kommendem Mittwoch an seien wieder uneingeschränkt körperliche Betätigungen im Freien erlaubt, solange sie im Kreis des eigenen Haushalts bleiben. Bislang durften die Briten nur einmal am Tag das Haus zum Sport oder Spazierengehen verlassen. Reisen innerhalb Englands, beispielsweise zu Nationalparks oder an die Küste werden ebenfalls wieder zugelassen.
Frühestens Anfang Juni könnten auch wieder Läden und Schulen schrittweise geöffnet werden. Von Juli an sei womöglich an eine teilweise Öffnung von Restaurants und Betrieben mit Publikumsverkehr zu denken. Sollte sich aber zeigen, dass die Zahl der Infektionen wieder steige, werde die Regierung nicht zögern, die Maßnahmen wieder zu verschärfen.
Johnson stellte zudem ein System von fünf Warnstufen vor, mit denen in Zukunft die Situation in Großbritannien bewertet werden soll. Die Einstufung werde von der Höhe der Übertragungsrate des Virus abhängen, die nun etwas unter eins liege. Weitere Details seines Fahrplans werde er am Montag im Parlament vorstellen, so der konservative Politiker.
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Die Lockerungen gelten nicht für die britischen Landesteile Schottland, Wales und Nordirland. Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon rief die Schotten dazu auf, weiterhin zuhause zu bleiben. Die Botschaft der Regierung in London, wachsam zu sein, kritisierte sie als vage und unpräzise. Auch Oppositionschef Keir Starmer von der Labour-Partei bezeichnete die Vorgaben als unklar.
Johnson kündigte auch die baldige Einführung einer Quarantäne für Flugreisende nach Großbritannien an. Am Ärmelkanal soll es aber zunächst keine Auflagen für Reisende aus Frankreich geben, teilte der Regierungssitz am Abend mit. Das habe Johnson bei einem Telefongespräch mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron vereinbart. Eine Entscheidung über Einschränkungen an der gemeinsamen Grenze werde von London und Paris gemeinsam getroffen, hieß es.
Die Zahl der bestätigten Todesfälle durch die Lungenkrankheit Covid-19 in Großbritannien stieg am Sonntag um 269 auf 31.855 an. Die Pandemie hat demnach im Vereinigten Königreich mehr Opfer gefordert als in irgendeinem anderen Land Europas.
Lockerungen in Europa im Überblick
SCHWEIZ: Rund acht Wochen nach der Schließung dürfen am Montag Kindergärten und Schulen, Geschäfte, Restaurants und Museen wieder öffnen. Sport in Gruppen von bis zu fünf Personen ist wieder erlaubt. Außer in Schulen sind überall Hygienemaßnahmen sowie Abstand vorgeschrieben. Wer kann, soll weiter von zu Hause arbeiten, damit es kein Gedränge im Nahverkehr gibt. Geschlossen bleiben bis Anfang Juni Kinos, Casinos, Schwimmbäder, Fitnesszentren und Campingplätze. Masken sind keine Pflicht, aber etwa in Bus und Bahn empfohlen.
FRANKREICH: Ab Montag können die Menschen wieder ohne Passierschein vor die Tür. Die Beschränkungen für Sport oder Spaziergänge fallen weg. Auch die Geschäfte sollen wieder öffnen. Restaurants und Bars bleiben aber zu. In weniger stark betroffenen Départements dürfen Parks und Gärten wieder öffnen. Schrittweise sollen auch Schulen und Krippen aufmachen. Die Bewegungsfreiheit bleibt aber eingeschränkt. Wer mehr als 100 Kilometer (bisher: 1 Kilometer) weit weg will, braucht einen triftigen Grund. In der Pariser Metro haben zu Stoßzeiten Fahrgäste mit Bescheinigung der Arbeitgeber Vorrang. In öffentlichen Verkehrsmitteln sind Masken jetzt Pflicht.
BELGIEN: Nach wochenlangem Verbot dürfen wieder alle Geschäfte öffnen - allerdings unter strengen Hygieneauflagen. Zum Muttertag wurden bereits am Sonntag Einschränkungen gelockert: Jeder Haushalt darf nun vier Personen empfangen. Es müssen allerdings immer die gleichen sein - und sie dürften nur diesen einen Haushalt besuchen. Das Abstandsgebot gilt weiter.
NIEDERLANDE: Nach zwei Monaten öffnen die Grundschulen wieder - zunächst für je die Hälfte der Schüler pro Tag. Auch Kitas und Bibliotheken sind wieder offen. Friseure, Beauty-Salons und Masseure dürfen wieder Kunden empfangen. Sport im Freien ist wieder erlaubt - allerdings ohne Körperkontakt und nur, wenn ein Sicherheitsabstand von 1,5 Metern eingehalten wird.
DÄNEMARK: Der gesamte Einzelhandel darf wieder öffnen - auch die Einkaufszentren.
TSCHECHIEN: Geschäfte in Einkaufszentren dürfen öffnen. Nach fast zwei Monaten können die Menschen auch wieder zum Friseur gehen, so lange dieser Mundschutz und Schutzvisier trägt. Der Betrieb in Museen, Galerien, Theatern, Kinos und Konzertsälen darf starten. Hier dürfen maximal 100 Menschen zugleich eingelassen werden, die Besucher müssen Mindestabstände einhalten. Das gilt auch für Hochzeiten, Sportevents und Gottesdienste. Der reguläre internationale Reiseverkehr mit Bus, Bahn und Flugzeug wird wieder zugelassen. Für Ausländer gilt aber weiter ein weitgehender Einreisestopp.
SPANIEN: Das Urlaubsland geht regional unterschiedlich vor: Die Balearen mit der Hauptinsel Mallorca, das Baskenland und andere Regionen beginnen „Phase 1“ der Normalisierung. Hotels, Restaurants und Bars im Freien dürfen wieder öffnen. In anderen Regionen wie Katalonien oder Valencia sind Lockerungen nur begrenzt erlaubt. Die Hauptstadt Madrid und die Metropole Barcelona bleiben in „Phase 0“ mit strikter Ausgehsperre.
GRIECHENLAND: Mit der Öffnung aller Geschäfte des Einzelhandels beginnt die zweite Phase des Neustarts der Wirtschaft. Damit kommt nach Angaben der Regierung ein Drittel der Arbeitnehmer zurück zum Arbeitsplatz. Zudem kehren die letzten Klassen der Gymnasien zurück in die Schulen, damit sie die Prüfungen ablegen können.
NORWEGEN: Auch die älteren Schüler sind zurück im Unterricht. Seit knapp zwei Wochen durften Erst- bis Viertklässler wieder zur Schule, die Schüler der fünften bis zehnten Stufen sowie der weiterführenden Schulen dagegen nicht. In FINNLAND sollen die Schulen am Donnerstag wieder öffnen.
ESTLAND: Einkaufszentren dürfen wieder öffnen, samt ihrer Restaurants und Cafés. Kinos, Kegelbahnen oder Spielbereiche müssen dicht bleiben. Besucher sind angehalten, in Geschäften Mund und Nase zu bedecken. Auch Museen und Ausstellungshallen sind wieder zugänglich. Erlaubt sind Gruppen bis zu zehn Menschen.
LITAUEN: EU-Bürger und Ausländer mit Visa dürfen wieder einreisen. Aus Deutschland können zusätzlich zu der Fährverbindung von Kiel nach Klaipeda (Memel) auch die Routen ab Rostock und Travemünde wieder befahren werden. Aber Einreisende müssen sich 14 Tage in Quarantäne begeben. Ausgenommen sind Arbeitspendler, Geschäftsreisende und Studenten aus Polen sowie später dann auch Esten und Letten. Die drei Baltenstaaten öffnen zum 15. Mai ihre gemeinsamen Grenzen.
SLOWENIEN: Hotels mit weniger als 30 Betten, Campingplätze, Gaststätten und Freizeitparks dürfen wieder öffnen.
KROATIEN: Gaststätten, die draußen bedienen, und Einkaufszentren dürfen wieder öffnen. Reisen im Inland werden erleichtert, bleiben aber eingeschränkt. Der öffentliche Fernverkehr und Inlandsflüge werden wieder aufgenommen. Treffen bis zu zehn sind erlaubt, wenn Abstand gehalten wird. Kitas und Grundschulen öffnen wieder.
SERBIEN: In Belgrad öffnen Kindertagesstätten und Grundschulen für Kinder, deren Eltern arbeiten müssen. (dpa)