Euro-Krise: Griechenland am Abgrund
Wieder wird über eine Pleite Griechenlands spekuliert. Dieses Mal wegen des Reformstaus der vergangenen Monate. Dabei liegt Griechenland bei den Einsparungen vor dem Plan.
Für Griechenland könnte es ein heißer Sommer werden – sowohl meteorologisch als auch finanztechnisch. Zwar hatte Anfang des Monats Euro-Gruppenchef Jean-Claude Juncker noch gesagt, man müsse „sich keine Sorgen machen, dass es im August Probleme gibt“. Gemeint hatte der luxemburgische Regierungschef damit einen Überbrückungskredit, den die Hellenen am 20. August dringend benötigen, um der Europäischen Zentralbank (EZB) die Summe von über drei Milliarden Euro für fällige Staatsanleihen zu zahlen. Wenn Athen die geforderten Reformauflagen erfülle, werde man eine Lösung für die akuten Liquiditätsprobleme Athens finden, erklärte Juncker vor zwei Wochen. Doch trotz der Beschwichtigungsformeln kommt Griechenland nicht aus den Negativ-Schlagzeilen heraus. Schuld daran ist nicht zuletzt Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler. Für ihn habe ein Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone „längst seinen Schrecken verloren“, sagte Rösler am Sonntag in der ARD. Damit haben die Spekulationen über eine möglicherweise bevorstehende Staatspleite Athens wieder neue Nahrung bekommen.
Nach den Worten von Rösler ist es „wahrscheinlich“, dass Griechenland die von den internationalen Geldgebern verlangten Auflagen nicht werde erfüllen können. Für den FDP-Chef bedeutet dies, dass dann auch die Hilfszahlungen an die Hellenen eingestellt werden müssten. Die Staatsinsolvenz wäre die Folge.
Dass die Spekulationen um einen möglichen Euro-Austritt Griechenlands nicht abreißen, hat allerdings nicht nur mit Rösler zu tun. Am Wochenende hatte der „Spiegel“ gemeldet, dass sich der Internationale Währungsfonds (IWF) nicht mehr an weiteren Hilfen für Athen beteiligen wolle. Als Grund gilt der Reform- Rückstand, der durch die zweimaligen Parlamentswahlen im Mai und im Juni zustande gekommen ist.
Auch die EU-Kommission moniert den politischen Stillstand in Hellas. So kritisierte am Montag ein Kommissionssprecher in Brüssel, dass es in den vergangenen Monaten zu „erheblichen Verzögerungen“ bei der Umsetzung des griechischen Reformprogramms gekommen sei. Dennoch komme ein Austritt Griechenlands aus der Gemeinschaftswährung nicht in Betracht. „Griechenland muss Mitglied der Euro-Zone bleiben“, sagte der Kommissionssprecher. Den griechischen Behörden sei sehr wohl bewusst, dass sie die verlorene Zeit wieder aufholen müssten, erklärte er weiter.
Ob es tatsächlich zu einer Staatspleite Griechenlands kommt, hängt letztlich vom Bericht der Troika aus Kommission, EZB und IWF ab, die ab diesem Dienstag wieder den Fortgang der griechischen Reformbemühungen überprüft. Der anschließende Bericht wird den Ausschlag dafür geben, ob das schuldengeplagte südeuropäische Land wie geplant im September die nächste Hilfstranche der internationalen Geldgeber in Höhe von 31,5 Milliarden Euro erhält. Ohne die Finanzhilfe wäre die griechische Regierung nicht mehr in der Lage, Renten oder die Gehälter von Staatsbediensteten zu bezahlen. Eine Entscheidung über die Auszahlung der Tranche werde wohl erst im September fallen, sagte der Kommissionssprecher in Brüssel. Nach den Angaben eines EU-Beamten wird die Troika-Mission voraussichtlich erst Ende August beendet sein.
Dass sich die Lage für Griechenland erneut zuzuspitzen droht, wird auch von der Regierung in Athen eingeräumt. Was für sein Land derzeit auf dem Spiel steht, machte Entwicklungshilfeminister Costis Hatzidakis in einem Gespräch mit der Zeitung „Ethnos“ deutlich: „Wenn die gegenwärtige Regierung scheitert, muss die nächste Regierung wieder die Drachme einführen.“ Das düstere Szenario erklärt sich auch damit, dass sich die in Athen gehegte Hoffnung zu zerschlagen droht, einen weiteren Aufschub für die Umsetzung der Sparvorgaben aushandeln zu können. Denn das würde weitere Hilfsmilliarden erfordern, die vor allem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nicht lockermachen will.
Dabei ist der oft geäußerte Eindruck, in Griechenland bewege sich gar nichts, allerdings falsch. Bei der Haushaltskonsolidierung hat das Land durchaus Fortschritte gemacht. In nur zwei Jahren wurde das Budgetdefizit um sechs Prozentpunkte vom Bruttoinlandsprodukt (BIP) reduziert. Das Primärdefizit im Haushalt konnte sogar von 10,4 auf 2,2 Prozent des BIP abgebaut werden. In diesem Jahr liegt Griechenland bei den Einsparungen vor dem Plan: In den ersten sechs Monaten belief sich das Haushaltsdefizit auf 12,5 Milliarden Euro statt erwarteter 14,9 Milliarden. Kein anderes EU-Land hat eine solche Konsolidierungsleistung vorzuweisen. Dieser Erfolg ist umso bemerkenswerter, als er vor dem Hintergrund einer schweren Rezession erzielt wurde: Griechenlands Wirtschaft befindet sich bereits im fünften Jahr einer steilen Talfahrt.