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Über- und Unterwasseraufnahme einer etwa zwei Meter großen gebleichten Porites-Koralle am Great Barrier Reef. Eine gesunde Koralle wäre farbenfroh.
© dpa

Klimawandel in Australien: Great Barrier Reef könnte zum „gefährdeten Welterbe“ werden

Das Korallenriff erlebt bereits die dritte Bleiche in fünf Jahren. Ein Forscherteam will jetzt mit Fake-Wolken helfen.

Der Klimawandel facht auch die Temperatur des Ozeans an. Immer wärmeres Wasser gefährdet weltweit die Korallen. Früher passierte es alle paar Dekaden, inzwischen häufen sich die Bleichen. Erst 2016 und 2017 litt das Great Barrier Reef in Australien unter zwei schweren Bleichen in Folge. Kaum hatten sich die überlebenden Nesseltiere wieder einigermaßen erholt, da schlägt bereits die nächste Bleiche zu. Und erste Untersuchungen zeigen: Die aktuelle Bleiche ist nochmal intensiver und weitläufiger als frühere Ereignisse.

Forscher arbeiten deswegen fieberhaft an Lösungen, die das größte Riff der Erde retten könnten, das die Heimat von 1500 Fischspezies und 400 Korallenarten ist. Eine auf den ersten Blick ungewöhnlich anmutende Idee gibt australischen Forschern nun Hoffnung.

So testeten Wissenschaftler der Southern Cross Universität in Australien Prototypen eines „Wolkenaufhellungsgerätes“. Das Experiment verwendet laut eines Berichts des Guardian eine modifizierte Turbine – vergleichbar mit einer Schneekanone. Diese sprüht mit Hilfe von 100 Hochdruckdüsen Billionen von Salzkristallen in die Luft. Diese winzigen, aus Meersalz gewonnenen Kristalle vermischen sich mit Wolken in geringer Höhe, hellen sie auf und reflektieren das Sonnenlicht weg von der Meeresoberfläche ins All.

Daniel Harrison, der das Projekt an der Southern Cross Universität leitet, sagte, dass die Technologie, die im März mit Genehmigung der Great Barrier Reef Marine Park Authority eingesetzt wurde, vielversprechend sei. Sie sei kostengünstig, könne in großem Maßstab eingesetzt werden und setze einen Prozess in Gang, der auch natürlich vorkomme. „Die Natur erledigt den größten Teil der Arbeit“, sagte er dem Guardian.

Das Projekt ist eines von insgesamt 43 Konzepten, die derzeit im Rahmen eines von der australischen Regierung unterstützten Forschungsprogrammes finanziert werden. Australische Forscher, die das Ausmaß der Bleiche Ende März dokumentiert hatten, sprachen in einem Artikel des Wirtschaftsmagazin The Conversation sogar von einer „absoluten Tragödie“.

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Für ihre Studie untersuchten die Forscher in den letzten zwei Märzwochen 1036 Riffe aus der Luft, um das Ausmaß und den Schweregrad der Korallenbleiche zu messen. Die Ergebnisse schockierten die Wissenschaftler: „Zum ersten Mal hat eine starke Bleiche alle drei Regionen des Great Barrier Reef getroffen – den nördlichen, zentralen und einen großen Teil des südlichen Sektors“, sagte Terry Hughes, ein Korallenexperte der australischen James Cook Universität.

Der südliche Teil war bei den vergangenen zwei Bleichen verschont geblieben. Korallen bleichen, wenn die Meerestemperaturen in ungewöhnlich heißen Sommern zu sehr ansteigen. In diesem Jahr maß man im Februar die höchsten monatlichen Meeresoberflächentemperaturen, die jemals seit Beginn der Aufzeichnungen der australischen Wetterbehörde im Jahr 1900 am Great Barrier Reef gemessen wurden. Im Falle einer Bleiche verfärben sich die Korallen weiß, da ihre Symbiose mit einer Algenart, die die Nesseltiere mit Energie versorgt und ihnen die bunten Farben verleiht, unterbrochen wird.

Bald kein Great Barrier Reef mehr?

Wie viele Tiere die derzeitige Bleiche nicht überstehen werden, lässt sich bisher nicht einschätzen. „Wir werden später in diesem Jahr wieder unter Wasser gehen, um die Korallenverluste dieses jüngsten Ereignisses zu bewerten“, sagte Morgan Pratchett, Korallenexperte der James Cook Universität, der ebenfalls an der Untersuchung beteiligt war. 2016 sei der Norden die am stärksten betroffene Region gewesen, 2017 habe es vor allem die Zentralregion getroffen.

2020 hat sich die Bleiche nun jedoch auch bis in den Süden ausgeweitet. „Eine blasse oder leicht gebleichte Koralle gewinnt normalerweise innerhalb weniger Wochen oder Monaten ihre Farbe zurück und überlebt“, sagte Pratchett.

Ist die Bleiche jedoch zu stark, sterben viele Korallen ab. 2019 zeichnete ein Bericht der australischen Regierung bereits ein düsteres Bild für die Zukunft des Great Barrier Reefs. Die Aussichten für das Riff wurden von „schlecht“ auf „sehr schlecht“ heruntergestuft. In dem Bericht der australischen Great Barrier Reef Marine Park Authority, der alle fünf Jahre veröffentlicht wird, hieß es, schon bisher hätte sich das Korallenriff in schlechtem Zustand befunden, doch durch den Klimawandel sei die Situation nochmals eskaliert worden.

Einer, der in diesem Jahr ein besonders kritisches Auge auf die Gesundheit des Riffs werfen wird, ist die Unesco. Bereits in der Vergangenheit hatte man dort überlegt, das Riff als „gefährdetes Welterbe“ einzustufen. Diese Blamage hatte Australien bisher zwar verhindern können, doch 2020 soll die Entscheidung erneut unter die Lupe genommen werden.

Barbara Barkhausen

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