Bundespräsident: Grass-Debatte überschattet Gaucks Israel-Besuch
Bundespräsident Joachim Gauck ist zu einer mehrtägigen Reise nach Israel aufgebrochen. Der israelische Botschafter in Berlin warnt unterdessen vor zunehmendem Antisemitismus in Deutschland. Bei dem Staatsbesuch werde auch das umstrittene Gedicht von Günter Grass eine Rolle spielen.
Bundespräsident Joachim Gauck ist am Montag zu einem mehrtägigen Staatsbesuch nach Israel abgeflogen. Dort wird er mit Präsident Schimon Peres und Regierungschef Benjamin Netanjahu zusammentreffen. Auch Gespräche mit Holocaust-Überlebenden stehen auf dem Programm. Gauck wird von seiner Lebensgefährtin Daniela Schadt begleitet. Zum Abschluss der Reise wird er am Donnerstag auch die palästinensischen Gebiete besuchen.
Bestimmende Themen dürften die schwierige Lage im Nahen Osten und der Atomkonflikt mit dem Iran sein. Aber auch die Kontroverse um den Schriftsteller Günter Grass, der mit einem kritischen Gedicht für Verstimmung in Israel gesorgt hatte, könnte eine Rolle spielen. Es ist der erste offizielle Staatsbesuch Gaucks seit seiner Amtsübernahme im März und das erste Mal, dass er als Bundespräsident ein Land außerhalb Europas besucht.
„Der frühzeitige Besuch in Israel ist mir ein Herzensanliegen. Dieser Staatsbesuch unterstreicht die auf immer besonderen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel“, sagte Gauck nach Angaben der deutschen Botschaft in Tel Aviv.
Bildergalerie: Die Affäre um das Israel-Gedicht von Günter Grass
Der israelische Botschafter in Berlin, Yakov Hadas-Handelsman, warnte unterdessen vor zunehmendem Antisemitismus in Deutschland und Europa. Antisemitismus und Rassismus seien „eine große Gefahr“, sagte Hadas-Handelsman der Nachrichtenagentur AFP. „Antisemitismus ist präsenter in Europa. Wir sehen es leider fast tagtäglich. Auch in Deutschland ist das Phänomen jetzt neuerlich aufgekommen und verbreitet“, sagte der Diplomat insbesondere mit Blick auf die Debatte um das als antisemitisch kritisierte Gedicht von Günter Grass.
Gauck hat die Grass-Debatte bislang nicht kommentiert
Grass hatte in einem Zeitungsbeitrag Israels Haltung im Atom-Konflikt mit dem Iran scharf attackiert und Israel als Aggressor dargestellt. Die Grass-Debatte werde auch während der Israel-Reise Gaucks eine Rolle spielen, erwartet Hadas-Handelsman. „Selbstverständlich wird über dieses Thema auch während des Besuchs gesprochen“, sagte der Botschafter. Er wolle dazu aber keine Erwartungen an das deutsche Staatsoberhaupt formulieren.
Gauck hatte sich bislang in der Debatte um den Grass-Text, der in Deutschland wie auch in Israel kontrovers diskutiert wurde, nicht öffentlich geäußert. Dass Gauck aus der ehemaligen DDR stamme und selbst Verfolgung und Unterdrückung erlebt habe, sei „ein zusätzlicher Grund, warum dieser Besuch wichtig ist“, sagte Hadas-Handelsman mit Blick auf die beide Länder eng miteinander verbindende Geschichte.
"Selbstverständlich ist die Vergangenheit immer da und soll und wird dableiben. Das ist der Hintergrund für unsere gegenwärtige und zukünftige Zusammenarbeit“, sagte Hadas-Handelsman. Die Reise des Bundespräsidenten sei jedoch vielmehr ein Zeichen dafür, wie „großartig die Beziehungen zwischen Deutschland und Israel sind“.
"Es ist sein erster Staatsbesuch, und er hat entschieden, dass es Israel sein wird“, allein das sei schon ein „guter Beweis“ für die Bedeutung der Beziehungen beider Länder zueinander. Für die Zukunft gehe es darum, wie „man diese großartigen oder besonderen Beziehungen verbreitern“ könne. Dafür gebe es eine ausbaufähige Zusammenarbeit schon heute auf vielen Gebieten: in Wissenschaft, Gesellschaft, Kultur oder Sport. (dpa/afp)