Parlamentswahl in Russland: Google und Apple entfernen Nawalnys Protestwahl-App
Drei Tage lang stimmen die Menschen in Russland über ihr neues Parlament ab. Eine Wahlempfehlungs-App der Opposition verschwand nun aus den App-Stores.
Die Wahlempfehlungs-App des inhaftierten Regierungskritikers Alexej Nawalny ist nach Angaben von dessen Unterstützern mit Start der Parlamentswahl in Russland aus den App Stores von Google und Apple verschwunden. Der Vorsitzende von Nawalnys Anti-Korruptionsstiftung, Iwan Schdanow, warf den beiden US-Unternehmen am Freitag auf Twitter vor, die App "Smart Voting" gelöscht zu haben. "Die autoritäre russische Regierung und die Propaganda werden entzückt sein", schrieb er.
"Die Nawalny-App aus den App Stores zu nehmen, ist ein beschämender Akt politischer Zensur", fuhr er fort. Die fragliche App soll helfen, bei der Parlamentswahl örtliche Oppositionsbündnisse gegen Kandidaten der Regierungspartei Geeintes Russland zu bilden.
Die russische Aufsichtsbehörde Roskomnadsor hatte Google und Apple mit strafrechtlicher Verfolgung und hohen Geldstrafen gedroht. Sollte die App weiterhin in Russland verfügbar sein, könne dies als Einmischung in die russischen Wahlen gewertet werden.
Noch bis einschließlich Sonntag sind rund 110 Millionen Menschen aufgerufen, über die Zusammensetzung der neuen Staatsduma abzustimmen. In vielen Regionen werden zeitgleich Regional- und Stadtparlamente gewählt. Die Kremlpartei Geeintes Russland will ihre absolute Mehrheit in der Staatsduma verteidigen. Erstmals kann in einigen Regionen Russlands auch elektronisch abgestimmt werden.
Neu zu besetzen sind 450 Sitze in der Duma, in der derzeit vier Parteien vertreten sind. Neben Geeintes Russland sind das die Kommunisten, die rechtspopulistische LDPR und die Partei Gerechtes Russland. Diese Parteien gelten als systemtreu und vom Kreml gesteuert. Eine echte Opposition gibt es im russischen Parlament bisher nicht.
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Oppositionelle, Menschenrechtler und unabhängige Journalisten haben in den Monaten vor der Wahl immer wieder massive staatliche Repressionen beklagt. Unterstützer des im Straflager inhaftierten Kremlgegners Alexej Nawalny wurden gar nicht erst als Kandidaten zugelassen. Viele Internetseiten der Opposition sind blockiert.
Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch warnte im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Moskau vor massiven Stimmfälschungen - insbesondere mit Blick auf die elektronische Stimmabgabe, die erstmals bei einer Dumawahl in vielen russischen Regionen möglich ist. Es fehle an Kontrollmechanismen, beklagte Jarmysch. „Am Ende können sie eine beliebige Zahl nennen, die man nicht überprüfen kann. Das ist einfach Gaunerei“, sagte die 31-Jährige.
Stimmungstest auch für Putin
Erwartet wird, dass auch der russische Präsident Wladimir Putin seine Stimme in einem Online-Verfahren abgibt. Er hatte die Technologie als sicher und verlässlich gelobt. Der 68-Jährige ist in Selbstisolation, weil er nach eigener Darstellung Kontakt zu Dutzenden mit dem Coronavirus infizierten Menschen hatte. Letzten Angaben seines Sprechers zufolge ist Putin selbst kerngesund.
Die Wahl ist auch ein wichtiger Stimmungstest für den Kremlchef, der die Politik maßgeblich bestimmt. Wegen der Pandemie ist die Abstimmung auf drei Tage angesetzt, damit laut Behördenangaben in den Wahllokalen Hygienevorschriften durchgesetzt werden können. Unabhängige Wahlbeobachter hingegen kritisierten, durch die drei Tage sei es kaum möglich, die Stimmabgabe effektiv zu kontrollieren.
In Russland kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Mehrfachabstimmungen und zum Vollstopfen von Wahlurnen mit vorab ausgefüllten Stimmzetteln, wie die unabhängige Organisation Golos dokumentiert hatte. Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) bleiben der Abstimmung fern, weil die zentrale russische Wahlkommission keine ausreichende Zahl an Experten zugelassen hatte.
Der kremlkritische frühere Öl-Manager Michail Chodorkowski rechnet mit massiven Stimmfälschungen. „Früher haben sie 10 Prozent der Stimmen gefälscht, aber jetzt sind es eher 30 bis 40 Prozent“, meinte er. Die letzten Wahllokale schließen am Sonntag in der Ostseeregion Kaliningrad um 20 Uhr MESZ. Auch im Ausland lebende Russen können ihre Stimme abgeben. (dpa)