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Abschied oder Rückkehr? Der zurückgetretene Staatspräsident Matteo Renzi wird als sein eigener Nachfolger gehandelt.
© dpa

Ministerpräsidentensuche in Italien: Gibt Matteo Renzi noch ein kurzes Comeback?

Am liebsten würde Staatspräsident Sergio Mattarella wohl den Auftrag zur Regierungsbildung an den zurückgetretenen Ministerpräsidenten Matteo Renzi geben.

Der italienische Staatspräsident Sergio Mattarella hat am Donnerstagabend in Rom mit seinen Konsultationen zur Bildung einer neuen Regierung begonnen. Damit ist das „Ministerpräsidenten-Toto“ in vollem Gange – und dabei fällt auch immer wieder der Name von Matteo Renzi.

Eigentlich ist es um den gerade zurückgetretenen Premier einsam geworden: Parteifreunde aus seiner sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) wenden sich vom gefallenen Hoffnungsträger ab, andere schmieden bereits Intrigen, um ihn auch aus dem Amt des Parteichefs zu drängen. Die Kommentare zu seiner Niederlage im Verfassungsreferendum in Italien vom Sonntag triefen vor Häme: „Jetzt ist ihm doch noch gelungen, was er als Regierungschef nie geschafft hat: Das Bruttosozialprodukt ist um ein Prozent gestiegen – wegen der Unmengen Prosecco, die am Sonntagabend geflossen sind“, spottete ein parteiinterner Gegner. Ex-Premier Silvio Berlusconi fasste sich kürzer: „Matteo? Für den ist ,game over‘!“

In Rom sind aber viele überzeugt, dass Staatspräsident Mattarella den Auftrag zur Regierungsbildung am liebsten wieder an Renzi erteilen würde. Denn seine bisherige Regierungskoalition, der auch einige Mitteparteien angehören, verfügt sowohl in der Abgeordnetenkammer als auch im Senat unverändert über eine robuste Mehrheit. Und Renzi ist immer noch Chef der stärksten Partei. Was läge also näher als eine nächste Amtszeit für Renzi, der das Land – ohne vorgezogene Neuwahlen – bis zum ordentlichen Wahltermin Anfang 2018 führen würde?

Renzi will von einer Neuauflage seiner Regierung nichts wissen

Das Problem ist bloß, dass Renzi von einer Neuauflage seiner Regierung nichts wissen will. Bis jetzt jedenfalls: „Ich würde das Gesicht verlieren“, sagt der 41-Jährige. Stimmt: Er hatte immer angekündigt, dass er sich nicht an irgendwelchen barocken Übergangs- oder Technikerregierungen beteiligen werde. „Außerdem würden die mich als Chef einer solchen Regierung auf niedrigem Feuer langsam rösten“, befürchtet er – schlichte Rache: Die interne Vendetta in der PD, die nach der Klatsche beim Referendum begonnen hat, bestätigt das. Auf seine Truppen im Parlament würde sich Renzi kaum noch verlassen können. Aber „gewöhnlich gut unterrichtete Kreise“ glauben, dass Renzis Entscheidung noch nicht gefallen ist. Bliebe er bei seinem Nein, wäre an Alternativen kein Mangel – auch unter Wahrung der politischen Kontinuität: Alle bisher genannten Kandidaten gehörten seiner Regierung an oder besitzen das PD-Parteibuch (oder beides). Darunter ist der parteilose Finanzminister Pier Carlo Padoan – als Ökonom und Finanzfachmann eine logische Besetzung, sollte sich Mattarella für eine Experten-Regierung nach dem Modell der früheren Regierung von Mario Monti entscheiden.

Als mögliche Chefs einer „politischen“ Exekutive werden auch der Senatspräsident und ehemalige Anti-Mafia-Staatsanwalt Pietro Grasso, Außenminister Paolo Gentiloni, der Minister für wirtschaftliche Entwicklung, Carlo Calenda, Kulturminister Dario Franceschini, Infrastrukturminister Graziano Delrio sowie die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini genannt. Ein Favorit ist darunter noch nicht auszumachen. Wie immer, wenn in Rom hohe Ämter zu vergeben sind, wird auch der Name von Ex-Premier Romano Prodi erwähnt. Der hat aber schon abgewunken: Er sei kein Priester, der in seine alte Pfarrei zurückkehre.

Weitaus heikler als die Suche nach einem Nachfolger von Renzi ist für Mattarellas die Frage nach dem Zeithorizont der kommenden Regierung. Beppe Grillo und seine Protestbewegung fordern sofortige Neuwahlen. Auch die fremdenfeindliche Lega Nord hat bereits mit Protestaktionen gedroht, falls nach Mario Monti, Enrico Letta und Matteo Renzi nun der vierte Regierungschef in Folge eingesetzt würde, der nicht vom Volk gewählt wurde. Mattarella lehnt überstürzte Neuwahlen jedoch kategorisch ab, weil mit den aktuellen Wahlregeln keine regierungsfähigen Mehrheiten im Parlament zu erwarten wären. Erst müsse ein neues Wahlgesetz her – und am einfachsten wäre es doch, findet der Präsident, wenn diese heikle Aufgabe der Premier erledigt.Dominik Straub

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