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Der frühere IRA-Aktivist Gerry Adams.
© rtr
Update

Nordirland: Gerry Adams holt IRA-Vergangenheit ein - Festnahme wegen Mordverdachts

Gerry Adams war wichtiger Aktivist der IRA und ist heute ein einflussreicher Parlamentarier. Jetzt wurde er festgenommen - es geht um einen Mord im Jahr 1972.

Gerry Adams ist einer der bekanntesten irischen Politiker. Er gehörte zu den wichtigsten Figuren im Nordirland-Konflikt.Am Mittwochabend wurde der Chef der irisch-republikanischen Partei Sinn Fein nun verhaftet. Schon einen Tag später verhörte man ihn in Polizeigewahrsam im nordirischen Antri. Grund: Seine mögliche Rolle bei einem der legendärsten politischen Morde des Nordirland-Konflikts.

Schon lange wird Adams mit der Ermordung von Jean McConville im Jahre 1972 in Zusammenhang gebracht. McConville war entführt und mit 37 Jahren umgebracht worden, ihr Leichnam wurde aber erst 2003 gefunden. Adams bestreitet jegliche Mitverantwortung. In den vergangenen Monaten jedoch hatten mehrere ehemaliger Mitglieder der irischen Untergrundarmee IRA ihn als Verantwortlichen genannt. Die Konsequenzen der Verhaftung oder gar einer Anklage gegen Adams sind unabsehbar. Was bedeutet das für den nordirischen Friedensprozess? Der Unionisten-Politiker Jeffrey Donaldson glaubt nicht, dass dieser gefährdet ist. „Es gibt keinen Grund, dass Nordirland in die dunkle Vergangenheit zurückgezerrt wird. Niemand steht über dem Gesetz“, sagt er. Dennoch dürfte die Diskussion um Nordirlands Vergangenheitsbewältigung, „Wahrheitskommissionen“ und mögliche Amnestien angeheizt werden.

Die Sinn-Fein-Führung sprach von einer „politisch motivierten“ Festnahme drei Wochen vor den Kommunalwahlen und der zeitgleich stattfindenden Europawahl, bei der Sinn Fein in Irland auf ein Topergebnis hoffen kann. Doch das wies London zurück. „Dies ist ausschließlich Sache der Polizei“, sagte der Sprecher der Downing Street. Adams ist Abgeordneter im Dubliner Parlament und steht seit 1983 an der Spitze von Sinn Fein, die bis heute gegen die britische Kontrolle Nordirlands opponiert. Die Partei ist der politische Arm der nordirischen Untergrundorganisation Irisch-Republikanische Armee (IRA), die drei Jahrzehnte lang gewaltsam für den Anschluss Nordirlands an die mehrheitlich katholische Republik Irland kämpfte, bevor sie 2005 offiziell der Gewalt abschwor.

Adams beteuerte seine Unschuld

Jean McConville, Witwe und Mutter von zehn Kindern, war von einer IRA-Gruppe aus ihrer Wohnung in Belfast entführt und von republikanischen Paramilitärs per Kopfschuss hingerichtet worden. Diese hatten sie der Weitergabe von Informationen an britische Stellen bezichtigt. Von britischer Seite wurde dies offiziell dementiert.

Das Verbrechen beschäftigt Nordirland so sehr, weil es komplexe Aspekte der Konflikte vereint: Jean war eine Protestantin, die katholisch wurde, um ihren Mann Arthur zu heiraten. Jeans Sohn Michael sagte am Donnerstag in der BBC, er und seine Geschwister wüssten genau, wer die Mutter vor ihren Augen mitgenommen habe: „Ich habe es nie jemandem gesagt, auch nicht der Polizei. Wenn ich es jetzt der Polizei sagen würde, würden ich oder einer meiner Familienangehörigen erschossen. Alle denken, das alles sei vorbei. Nichts ist vorbei.“

Adams beteuerte vor seiner Verhaftung seine Unschuld. „Während ich mich nie von der IRA losgesagt habe und dies nie tun werde, habe ich keinerlei Mitschuld an der Entführung, Ermordung und Beerdigung von Frau McConville.“ Trotzdem forderte die frühere IRA-Aktivistin Evelyn Gilroy seine Verhaftung. Sie empörte sich, dass die Polizei Adams unangetastet lasse.„Er war die einzige Person in der Position, den Mord anzuordnen“, sagte sie.

Aufgerollt wird der Fall McConville, seit die nordirische Polizei per Gerichtsbeschluss die Freigabe von Aufzeichnungen aus den USA erwirkte. Historiker des Boston College hatten mehrere Ex-Paramilitärs zum Nordirland-Konflikt befragt und versprochen, die Aufzeichnungen nicht vor dem Tod ihrer Interview-Partner zu veröffentlichen. Mindestens zwei verstorbene IRA-Kämpfer nennen in den Interviews Adams als Verantwortlichen für den Mord.

Matthias Thibaut

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