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Ein Asylverfahren nach dem anderen - Gerichte (hier ein Bild aus NRW) sind überlastet.
© Federico Gambarini/dpa

Asylrecht: Gerichtsverfahren sollen schneller werden

Wie Berlin und drei weitere Länder den Prozess-Stau bei Asylverfahren vor den Verwaltungsgerichten auflösen wollen

Die Verwaltungsgerichte stehen vor einem Berg von Verfahren. Der Grund: Viele Asylbewerber klagen gegen ihre Bescheide. 2012 waren es noch etwa 30000 Klagen, im Jahr darauf bereits sechs Mal so viele – und 2017 stieg die Zahl weiter. Mittlerweile sind es 324000 Asylverfahren, die sich bei den zuständigen Gerichten stauen. Die Länder Berlin, Hamburg, Brandenburg und Bremen sind daher der Meinung, dass diese Überlast sich nicht allein durch mehr Richterstellen oder gerichtsinterne Umorganisationen bewältigen lässt. Sie sind der Meinung, dass es einer Beschleunigung der Asylverfahren bedarf und haben daher einen Gesetzesantrag in den Bundesrat eingebracht. Das Ziel: Über die Möglichkeit, Berufungen bei den oberen Verwaltungsgerichten zuzulassen, soll es zu einer klareren Rechtsprechung kommen, was wiederum die Verfahren bei den unteren Gerichten vereinfacht.
Der Berliner Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) umreißt das Problem so: „Momentan entscheidet in vielen Fällen jeder Verwaltungsrichter in der Republik mehr oder weniger eigenständig jeden Einzelfall für sich. Ohne jegliche Orientierung an obergerichtlicher Rechtsprechung.“ Von den 126 Richtern am Berliner Verwaltungsgericht etwa sind 123 mit Asylverfahren beschäftigt – sie hatten laut Behrendt im vergangenen Jahr 14500 Asylverfahren auf dem Tisch, im Schnitt also jeweils fast 120. „Jede Richterin und jeder Richter muss sich mit jeder Rechtsfrage neu befassen, was zu langen Verfahrensdauern führt“, gibt der Senator zu bedenken. Es entstehe ein „Flickenteppich an Einzelentscheidungen“. Auch deshalb, weil im Asylrecht Berufungen und Beschwerden als Rechtsmittel nicht vorgesehen seien.

"Grundsätzliche Bedeutung"

Der Bundesratsantrag zielt diese zu ermöglichen, „soweit der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt und sie von obergerichtlicher Rechtsprechung abweicht“, wie Behrendt sagt. Bisher ist nur die sogenannte Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht möglich, wo aber in der Sache nicht mehr verhandelt wird. Mehr Verfahren bei Obergerichten bedeuten, dass die einfachen Verwaltungsrichter sich bei ähnlich gelagerten Fällen daran orientieren und die Verfahren damit kürzer werden. Zudem, betont Behrendt, könne sich auch die Verwaltung, voran das Bundesamt für Flüchtlinge und Migration, in ihren Entscheidungen daran ausrichten.
Ein Beispiel: Viele Verfahren betreffen Asylbewerber aus Syrien oder Afghanistan, die in ihren Gerichtsverfahren den Status als Kriegsdienstverweigerer geltend machen und daher Verfolgung befürchten. In jedem Verfahren muss das von den Richtern neu bewertet werden. Gäbe es eine Oberverwaltungsgerichtsentscheidung, ob der Wehrdienst als Flüchtlingseigenschaft anzuerkennen sei, dann würden sich die Richter daran orientieren und könnten sich weitere eigene Tatsachenfeststellungen häufig ersparen. Auch das Bundesamt könne sich daran orientieren, um so in Zukunft Prozesse zu vermeiden. Zwar steigt damit die Zahl der Verfahren vor Obergerichten, aber eine erhebliche Zunahme erwarten die vier Länder nicht.

Anwaltsverein unterstützt Vorstoß

Unterstützung erhalten sie vom Deutschen Anwaltsverein. Dessen Präsident Ulrich Schellenberg sagte dem Tagesspiegel: „Die Verwaltungsgerichte sind mit der schieren Masse an aktuellen Asylverfahren überlastet.“ Daher sei es richtig, die Rechtsprechung über die Zulassung von Berufung und Beschwerde „einheitlicher, effektiver und schneller zu gestalten“. Allerdings gibt Schellenberg zu bedenken: „Vorrangiges Ziel muss es sein, in diesen Verfahren Rechtssicherheit zu schaffen, ohne die Rechte der Schutzsuchenden auf individuelle Prüfung ihres Falles zu schmälern.“ Zudem missfällt dem Chef des Anwaltsvereins, dass die Länder nur das Asylgesetz ändern wollen und nicht generell das Asylprozessrecht dem Verwaltungsprozessrecht gleichstellen wollen.

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