Menschenrechte: Gerichtshof: Kein Recht auf staatliche Sterbehilfe
Aus der Europäischen Menschenrechtskonvention kann kein Recht auf staatliche Sterbehilfe abgeleitet werden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Klage eines Schweizers abgelehnt, der wegen einer psychischen Erkrankung seinem Leben ein Ende setzen wollte.
Staaten sind nicht verpflichtet, ihren Bürgern Sterbehilfe zu leisten. Dies stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte am Donnerstag klar. Die Straßburger Richter wiesen damit die Beschwerde eines 57 Jahre alten Mannes ab, der in der Schweiz vergeblich eine tödliche Dosis von Medikamenten für einen sicheren und schmerzfreien Tod beantragt hatte. Er warf der Schweiz einen Verstoß gegen das in der Europäischen Menschenrechtskonvention garantierte Grundrecht auf Schutz des Privat- und Familienlebens vor.
Der 57-Jährige leidet seit Jahren unter einer so genannten bipolaren Störung, die ihn manisch-depressiv macht. Er versuchte zunächst vergeblich, von Psychiatern eine Verschreibung für eine tödliche Dosis an Schlafmitteln zu erhalten. Anschließend wandte er sich mit seiner Bitte an die Schweizer Ministerien für Justiz und Gesundheit, die seinen Antrag ebenfalls ablehnten. Gegen diese Entscheidung zog der Mann durch alle Instanzen bis zum Schweizer Bundesgericht, das seine Beschwerde im November 2003 abwies. Jeder habe das Recht, sich das Leben zu nehmen oder Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen, urteilte die Schweizer Justiz. Der Staat sei zu dieser Sterbehilfe aber nicht verpflichtet.
Diesem Argument schloss sich der Straßburger Gerichtshof weitgehend an. Er billigte zudem nachdrücklich die Rezeptpflicht für potenziell tödliche Medikamente. Sie solle die Gesundheit der Bürger und die öffentliche Sicherheit gewährleisten und Straftaten verhindern. Somit sei sie gerechtfertigt.
Das Urteil wurde von den sieben Richtern einer kleinen Kammer gefällt. Der Beschwerdeführer kann dagegen binnen drei Monaten Einspruch einlegen. In diesem Fall kann die Entscheidung von der aus 17 Richtern bestehenden Großen Kammer überprüft werden.
Beim Straßburger Gericht ist derzeit eine ähnliche Klage gegen Deutschland anhängig. Sie wurde von einem Witwer aus Braunschweig eingerecht, dessen querschnittgelähmte Frau in Deutschland vergeblich die Erlaubnis zum Erwerb einer tödlichen Dosis von Schlafmitteln beantragt hatte. Nach der Absage des Bundesamts für Arzneimittel setzte die damals 55-Jährige im Februar 2005 ihrem Leben in der Schweiz ein Ende - mit Hilfe der Sterbehilfe-Organisation Dignitas.
Der Witwer macht geltend, die Verweigerung der tödlichen Medikamente für seine Frau habe sein Grundrecht auf Schutz des Privatlebens verletzt. Er habe mit seiner Frau gelitten und sie zum Sterben in die Schweiz begleiten müssen. Das Urteil wird vermutlich erst in mehreren Monaten gefällt. (AFP/dpa)