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Akten im Oberlandesgericht München.
© Imago

109. Tag im NSU-Prozess: Gericht will demente Greisin im Heim befragen

Nach dem Tod ihrer Komplizen zündete Beate Zschäpe ihre gemeinsame Wohnung in Zwickau an und brachte eine über 90-jährige Nachbarin in Lebensgefahr. Die demente Frau soll nun verwertbare Aussagen liefern.

Charlotte E. ist über 90 Jahre alt und krank, der erste Versuch einer Befragung im NSU-Prozess war im Dezember gescheitert. Dennoch wird das Oberlandesgericht München an die in einem Pflegeheim in Zwickau lebende Zeugin noch einmal herantreten. Genauer: herantreten lassen. Der 6. Strafsenat habe das Amtsgericht Zwickau um eine „kommissarische Vernehmung“ von Charlotte E. ersucht, teilte OLG-Sprecherin Andrea Titz am Dienstag mit. Die Verteidiger hätten auf eine Befragung der Zeugin nicht verzichtet, sagte Titz am Rande des 109. Verhandlungstages.

Charlotte E. hatte in der Zwickauer Frühlingsstraße 26 auf derselben Etage  gewohnt wie die Hauptangeklagte Beate Zschäpe und ihre Freunde, die NSU-Mörder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Das Schicksal der Rentnerin ist auch eines der Dramen im NSU-Komplex, obwohl es angesichts der zehn Morde der Terrorzelle meist weniger Beachtung findet.

Staatsanwaltschaft wirft Zschäpe versuchten Mord an Greisin vor

Nachdem Mundlos am 4. November 2011 in Eisenach erst Böhnhardt erschossen hatte und dann sich selbst, zündete Zschäpe die Wohnung der drei an. Aus Sicht der Bundesanwaltschaft wollte Zschäpe Beweise vernichten. Bei der Verpuffung des von Zschäpe ausgeschütteten Benzins und bei dem ausbrechenden Feuer geriet Charlotte E. in Gefahr. In der Wand ihrer Wohnung zu den brennenden Räumen bildeten sich Risse,  Rauchgase traten aus. Verwandten und Anwohnern gelang es noch rechtzeitig, die Greisin aus dem Haus zu holen. Die Bundesanwaltschaft wirft dennoch Zschäpe einen versuchten Mord an Charlotte E. vor.

Zschäpes Verteidiger gehen davon aus, dass ihre Mandantin vor dem Brand bei der alten Nachbarin geklingelt hatte. Auch wenn das so war, bekam es die schwerhörige Frau vermutlich nicht mit. Selbst die Explosion in Zschäpes Wohnung hatte Charlotte E. überhört. Sie öffnete lediglich die Fenster, als sie den Brandgeruch bemerkte.

Im April 2012 ließ die Stadt Zwickau das Gebäude abreißen – um zu verhindern, dass es ein Wallfahrtsort für Neonazis wird. Den Verlust der Wohnung hat Charlotte E. nach Aussagen von Angehörigen nicht verkraftet. Die Rentnerin war aus Westdeutschland in die alte Heimat Zwickau gezogen, um hier, nahe bei ihren Nichten, den Lebensabend zu verbringen. Nach dem Brand verschlechterte sich der Zustand von Charlotte E., ihre Verwandten brachten sie in ein Pflegeheim.

Vernehmung der alten Frau scheiterte

Dort saß sie am 20. Dezember 2013 vor einer Kamera, als der 6. Strafsenat von München aus eine Videovernehmung versuchte. Doch die an Demenz, Herzproblemen und weiteren Beschwerden leidende Frau war dazu nicht in der Lage. Charlotte E. schien die Situation nicht zu begreifen  und konnte weder ihr genaues Alter noch die Adresse des Altenheims nennen. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl brach die Befragung ab. Der Brand in der Frühlingsstraße und die Nachbarschaft zu Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt wurden gar nicht erst angesprochen.

Die Verteidiger Zschäpes machten nach dem Fehlschlag einem Psychiater schwere Vorwürfe. Der Sachverständige hatte Charlotte E. im Pflegeheim besucht und im November im Prozess eine Videovernehmung empfohlen. Zschäpes Anwälte hatten hingegen eine kommissarische Vernehmung durch einen Richter in Zwickau angeregt. Die von dem Psychiater vorgeschlagene Vernehmung sei „schlicht die falsche“ gewesen, sagte Verteidiger Wolfgang Stahl im Prozesstag am 20. Dezember. Zschäpes Anwälte mussten sich allerdings auch herbe Kritik aus den Reihen der Nebenkläger anhören. Ein Kölner Anwalt hielt den Verteidigern einen Mangel an Empathie und Anstand vor. Wolfgang Heer, der Zschäpe zusammen mit Stahl und Anja Sturm vertritt, wies den Vorwurf empört zurück.

Sollte es nun zu einer kommissarischen Vernehmung von Charlotte E. durch einen Zwickauer Richter  kommen, wären Verteidiger  Zschäpes und wahrscheinlich auch die Angeklagte dabei. Dass die demente Greisin verwertbare Angaben machen kann, erscheint allerdings fraglich. Vermutlich am 16. Mai soll sich Charlotte E. im Pflegeheim den Fragen stellen.    

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