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Alles so schön bunt hier. In den Weihnachtstagen wird besonders gerne Strom verschwendet. Muss auch mal sein.
© dpa

Weihnachten - Fest der Bescheidenheit?: Genügsam können wir im Januar wieder sein

Früher sparten die Leute Eier und Butter, heute fehlt es vielen an Zeit. Vielleicht müssen wir gerade deshalb an Weihnachten Zeit verschwenden oder gute Laune. Denn wenn das Leben nur am Schnürchen des Maßvollen und Gleichmäßigen läuft, geht etwas verloren. Ein Kommentar.

Jesus wurde in einem Stall geboren und in eine Krippe gelegt. Ärmlicher geht es kaum. Trotzdem feiern Christen seine Geburt nicht mit Knäckebrot, sondern mit Schweinebraten, Rotkohl und Klößen. Zu Weihnachten gehören Luxus und Verschwendung wie Ochs und Esel.

Die heiligen drei Könige haben es vorgemacht. Sie haben dem Kind in Bethlehem keine Windeln mitgebracht, sondern kostbare Güter: Gold, Weihrauch und Myrrhe. Denn sie waren überzeugt, dass sich etwas ganz Besonderes ereignet hat: dass sich in dem Kind in der Krippe das Göttliche offenbart. Das wollten sie auf besondere Art feiern. Kosten spielten keine Rolle, sie fragten auch nicht nach dem Nutzen und ob die Rechnung aufgehen würde. Bisweilen braucht es diesen Überschwang und solche Anlässe zum Prassen. Bisweilen tut es gut, maßlos und verschwenderisch zu sein. Denn ohne Verschwendung gäbe es keine Religion, auch keine Kunst und keine Liebe.

Beten kann man auch in schmucklosen Räumen

Wenn die Steinzeitmenschen ihren Göttern die besten Teile der erjagten Tiere opferten, statt sie zu essen, war das Verschwendung. Auch der Höhlenmaler vergeudete seine Zeit und Kraft, wenn er Pflanzensäfte anrührte und die Felswand bepinselte, statt mit den anderen Mammuts zu jagen. Würden Verliebte vor dem ersten Kuss danach fragen, ob sich die Gefühle lohnen, es gäbe vermutlich kaum noch Paare, von Kindern ganz zu schweigen.

Sicher, die Sixtinische Kapelle wäre auch schön geworden, wenn Michelangelo nicht ganz so viele Farben verwendet hätte. Und beten kann man auch in schmucklosen Räumen. Doch im Mittelalter galt Verschwendung als Vorgeschmack aufs Paradies. In der luxuriösen Ausstattung der Paläste von Päpsten und Königen spiegelte sich die Gnade Gottes.

Heute wären das Fälle für den Rechnungshof. Heute wirken Maßlosigkeit und Verschwendung bei Bischöfen und Politikern obszön. Zu Recht. Denn das Geld, das sie ausgeben, ist in der Regel nicht ihr eigenes Geld, sondern das der Steuerzahler und Kirchenmitglieder. Kontrolle und Kritik sind wichtig und richtig.

Verschwendung und Maßlosigkeit sind auch deshalb in Verruf geraten, weil sie einem auf Schritt und Tritt begegnen. Jedes Werbeplakat fordert dazu auf, das Auto, das Handy, das es noch tut, wegzuwerfen und ein noch teureres, schickeres zu kaufen. Es ist kein Geheimnis, dass die Europäer und die Amerikaner über ihre Verhältnisse leben und damit auf Kosten der nächsten Generationen. Verschwendung ist Alltag geworden. Wer zur Avantgarde gehören will, führt ein Ressourcen schonendes Leben, beschränkt den Konsum und hält Maß.

Wo es keinen Überschwang geben darf, wachsen Neid und Missgunst

Doch zum Maßhalten gehört auch, zu wissen, wann der besondere Tag gekommen ist, der Festtag, der anders ist als die anderen Tage und für den es sich lohnt, das Ersparte und Zurückgehaltene dranzugeben, um aus dem Vollen zu leben und hemmungslos zu schwelgen. Dann kann im Champagner die Lebensfreude perlen, und im Goldring spiegelt sich das Glück.

Wenn das Leben nur am Schnürchen des Maßvollen und Gleichmäßigen läuft, geht etwas verloren. Es leidet zum Beispiel die Fähigkeit, großzügig zu sein – zu sich und zu anderen. Wer sich selbst nichts gönnt, gesteht auch anderen nicht viel zu. Dann dominieren das Kleinkarierte, Spießige, Engherzige. Wo es keinen Überschwang geben darf, wachsen Neid und Missgunst.

Verschwendung muss nicht teuer sein. Früher sparten die Leute im Herbst Eier und Butter, um im Advent Weihnachtsplätzchen backen zu können. Heute kann sich jeder Eier im Überfluss leisten, dafür fehlt es vielen an Zeit. Viele fühlen sich permanent unter Druck und gestresst. Da täte es gut, Zeit zu verschwenden oder gute Laune. Der Müßiggang ist eine Tugend. Man könnte sich auch besondere Mühe machen für jemanden, für den man sonst nur das Nötigste tun würde. Man könnte das Herz weit aufmachen. Genügsamkeit ist im Januar wieder. In diesem Sinne: Frohe Weihnachten!

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