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Ahmad Mansour
© dpa

Neues Buch von Ahmad Mansour: Generation Allah

Der mehrfach ausgezeichnete Berliner Islamismusexperte und Psychologe kennt die Mechanismen, wie sich Jugendlichen ideologisch radikalisieren. Ein Porträt.

Es sind meistens die Mütter, die bei Ahmad Mansour und der Berliner Beratungsstelle „Hayat“ (Leben) anrufen. Mütter, die sich Sorgen machen, weil ihre Söhne und Töchter auf einmal anders sind: ständig beten, sich kleiden wie der Prophet Mohammed im 7. Jahrhundert und es gut finden, dass es der „Islamische Staat“ dem Westen mal so richtig zeigt. Ihren Eltern werfen sie vor, keine "echten" Muslime zu sein.

Der mehrfach ausgezeichnete 39-jährige Psychologe Ahmad Mansour ist einer der wenigen Experten in Deutschland, die sich mit den Mechanismen der Radikalisierung auskennen. Seit zehn Jahren diskutiert er in Workshops in Schulen und Jugendklubs mit Jugendlichen über den Islam, bildet Lehrer und Sozialarbeiter fort und fordert von Politikern, die Bekämpfung von ideologischer Radikalisierung endlich zur Chefsache zu machen. Nach den Anschlägen in Paris, da viele wieder rätseln, was man tun kann, damit aus Jugendlichen keine Mörder werden, ist Mansour besonders gefragt.

Für eine ganze Generation ist Religion identitätsstiftend geworden

„Generation Allah“ nennt er in seinem kürzlich erschienenen Buch die vielen 15- bis 25-jährigen Deutschen, für die mittlerweile der Islam identitätsstiftend ist, Orientierung bietet, Geborgenheit und Anerkennung vermittelt. Sie alle seien potenziell verführbar durch Hassprediger, schreibt Ahmad Mansour. Ein schwieriges Elternhaus, eine labile Psyche oder Minderwertigkeitskomplexe reichten oft schon aus, um anfällig zu sein für ein Schwarz-Weiß-Denken und einfache Lösungen. Wie schnell das gehen kann, hat er selbst erlebt. Als Jugendlicher ist Mansour einem Prediger der Muslimbruderschaft auf den Leim gegangen. Das war in seinem arabischen Heimatdorf in Israel. Erst nach dem Abitur konnte er sich lösen. Er ging zum Psychologiestudium nach Tel Aviv und verliebte sich dort in die freie Gesellschaft. Nachdem er fast einem Terroranschlag zum Opfer gefallen wäre, wanderte er nach Deutschland aus.

Die Politik verharmlose oder verfalle in blinden Aktionismus, schreibt er

Der hiesigen Politik wirft er „Versagen auf ganzer Linie“ vor, was die Bekämpfung von Radikalisierungstendenzen betrifft. Es werde zu viel verharmlost, und statt nach Anschlägen in blinden Aktionismus zu verfallen, brauche es eine durchdachte, flächendeckende und auf Langfristigkeit angelegte Präventionsarbeit. Die großen Islam-Verbände sieht Mansour dabei eher als Teil des Problems denn als Teil der Lösung. Er wirft ihnen vor, in ihren Moscheen immer noch zu sehr einen konservativen, rückständigen "Buchstabenglauben" zu vermitteln und die Jugendlichen durch eine Höllenglauben und "Angstpädagogik" unmündig zu halten, statt sie zu eigenem Nachdenken anzuregen. Mansour selbst gehört dem im April gegründeten "Muslimischen Forum Deutschland" an, in dem sich theologisch liberal denkende Muslime zusammengeschlossen haben.

„Wird jetzt nicht umgedacht, gehandelt, investiert, dann werden manche Entwicklungen irreversibel sein“, warnt er. „Dann könnten dem Land Pariser Verhältnisse bevorstehen.“ Mansour hat das vor den Anschlägen vom vergangenen Freitag geschrieben.

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