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Libyen nach der Revolution: Geld für Waffenabgabe

Nach dem Sturz des Regimes sind in Libyen viele Waffen im Umlauf. Modelle für Abrüstung müssen gefunden werden. Deutschland hilft bei Bestandsaufnahme

Es geht womöglich um Zehntausende Waffen. Ob Boden-Luft-Raketen und Maschinenpistolen in den Händen der ehemaligen Rebellen, zumeist Zivilisten ohne militärische Ausbildung, oder die unzähligen Waffenlager des gestürzten Diktators Muammar al Gaddafi, der auch über chemische Kampfmittel verfügte: Libyen ist ein hoch aufgerüstetes, politisch äußerst fragiles Land. Die Vereinten Nationen befürchten, dass die Waffen auch nach dem Sturz des Regimes zum Einsatz kommen oder verbreitet werden – und drängen die Übergangsregierung, die Waffen unter Kontrolle zu bringen.

Die vergangene Woche einstimmig verabschiedete Resolution des UN-Sicherheitsrats, welche die Entwaffnung von Zivilbevölkerung und Milizen fordert, sei ein Ausdruck der großen Sorge um die Sicherheit in dem ehemaligen Bürgerkriegsgebiet, heißt es im Auswärtigen Amt. Insbesondere mobile Flugabwehrraketen, sogenannte „Manpads“, könnten in die Hände von Terroristen geraten und auf Passagierflugzeuge gerichtet werden, lautet die Befürchtung.

Deutschland hilft bei der Erkundung von Chemiewaffenlagern in der libyschen Wüste. Die Bundeswehr brachte bereits vergangenen Donnerstag ein halbes Dutzend Experten der internationalen Organisation zum Verbot chemischer Waffen (OVCW) mit einem Transall-Transportflugzeug nach Al Dschufra, 700 südöstlich der Hauptstadt Tripolis. Dort soll das Ex-Regime neun Tonnen Senfgas hinterlassen haben. Die Experten sollten bei ihrem eintägigen Einsatz prüfen, ob die Kampfstoffe unangetastet geblieben und gesichert sind. Zudem unterstützt Deutschland die Beseitigung von Kleinwaffen und Minen in Libyen mit etwa 1,6 Millionen Euro.

Das Gaddafi-Regime hatte im tribalistisch geprägten Libyen für nationale Stabilität gesorgt. „Es war einer der am besten funktionierenden Sozialstaaten in Afrika, bei gleichzeitig eingespielter Willkürherrschaft von Gaddafi und seiner Entourage“, sagt Wolf Poulet, Berater für Security Governance bei International Governance Consulting. Das Institut berät Regierungen bei der Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung ehemaliger Kämpfer.

Dieser schwierige Prozess steht nun den Libyern bevor. Die Nato bietet ihre Hilfe an – sofern die libyschen Behörden auf externe Experten zurückgreifen wollen. Denn die entschieden formulierte UN-Resolution ist keine Rechtsgrundlage für ein internationales Mandat, sondern vielmehr ein politischer Appell. „Dieser Prozess setzt auf Freiwilligkeit“, sagt Markus Kaim von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Der Sicherheitsexperte sieht drei Optionen für die libyschen Behörden, um die Abgabe von Waffen attraktiv zu machen:  So könnten die Waffen neben der Aussicht auf Straffreiheit auch gegen Geld eingesammelt werden. Experten sehen diese Strategie vor dem Hintergrund der Erfahrungen auf dem Balkan jedoch skeptisch. In Mazedonien schlug die Entwaffnung der kosovo-albanischen Untergrundarmee UÇK fehl. Die Milizen gaben nur den älteren Teil ihres Arsenals ab und behielten die modernen Waffen ein, erklärt Hans Georg Ehrhart vom Hamburger Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik (IFSH).

Ein stabiles politisches Umfeld zu schaffen, ist der größte Anreiz: eine sichere öffentliche Ordnung, ein Rechtsstaat, in dem es keines privaten Waffenbesitzes bedarf, wie Sicherheitsexperte Kaim erklärt. „Das ist der längste und steinigste, aber auch interessanteste Weg.“

Die Gefahr in dem riesigen Land am Mittelmeer ist groß, dass die unkontrolliert im Land verbreiteten Waffen zum doppelten Problem werden: einerseits als Arsenal für einen möglicherweise neuen Bürgerkrieg, andererseits als Exportware für die unstabilen Nachbarn Mali, Niger, Tschad. (mit dpa)

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