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Es wird eng auf den Straßen Berlins.
© Doris Spiekermann-Klaas

Radfahren in Berlin: Gehweg-Raser und Radspur-Zuparker: Es muss sich etwas ändern!

Zigtausende Zuzügler drängen auf die Straßen, in Busse und Bahnen. Und auf die Radwege. Im zunehmenden Gedränge müssen sich alle arrangieren. Das beginnt nicht beim "Rüpelradler", sondern weiter oben, beim Auto. Ein Appell.

Noch kühlt der Karwochenregen. Aber nach Ostern wird es wärmer, und mit den Temperaturen wird der Blutdruck wieder steigen auf den Straßen der Stadt: Wenn auch die Schönwetterradler wieder unterwegs sind und sich unter diese Rüpel mischen, die ohne Licht bei Rot mit Wahnsinnstempo auf dem Bürgersteig … Alles Weitere ist bekannt, ist Alltag. Ist eben so.

Aber muss nicht so bleiben. Ach was, muss sich ändern! Wer daran zweifelt, stelle sich bitte einen Moment lang die 52 Toten und 17 000 Verletzten vor, die der Berliner Straßenverkehr im vergangenen Jahr hervorgebracht hat. Für den Anfang reicht auch ein Gedanke an die 5200 verletzten und zehn toten Radfahrer.

Wir haben ein Problem auf den Straßen, wo jeder auf jeden trifft in einer Art urbaner Nahrungskette, an deren Ende der Fußgänger steht beziehungsweise fällt. Wir haben ein Problem, wenn jede Meldung über einen überrollten Radfahrer – es darf auch eine des Kampfradelns unverdächtige Rentnerin sein – im Onlineforum hunderte Kommentare veranlasst, in denen sich Rad- und Autofahrer beharken, als müssten sie das Abendland vor der jeweiligen Gegenseite retten.

Zigtausend Zuzügler drängen sich auch auf die Radwege

Die wachsende Stadt verschärft diese Lage noch. Zigtausende Zuzügler drängen auch auf die Straßen, in Busse und Bahnen. Und auf die Radwege. Aber wenn etwas auf der Welt alternativlos ist: Sie alle – wir alle! – müssen sich, müssen uns arrangieren. Dazu gehört der Blick auf die Kette, die nicht beim „Rüpelradler“ beginnt, sondern weiter oben, beim Auto. Anderthalb Tonnen Blech und hundert Pferde unterm rechten Fuß bedeuten enorme Verantwortung. Autofahrer ärgern sich zu Recht über das Benehmen vieler Radler. Doch manche erkennen ihre Verantwortung erst im Gericht, wenn es um Nötigung geht oder fahrlässige Tötung.

Unter Radfahrern wiederum gilt das Motto: Wer keine Rechte hat, der nimmt sich welche. Also ab auf den Gehweg, weil die Radspur zugeparkt ist, und lieber bei Rot über die Kreuzung als bei Grün von Rechtsabbiegern umgenietet zu werden. Das ist Pragmatismus, der bösartig wirkt. Seine Quelle ist der Status quo, der Radfahrern trotz vieler kleiner Verbesserungen noch immer kein sicheres, komfortables Vorankommen erlaubt.

Wenn eine Umfrage unter mehreren tausend Alltagsradlern beim „Zuparken von Radspuren“ für Berlin die Schulnote 5,3 ergibt, kann etwas nicht in Ordnung sein. Etwas, das sich nur mit der Markierung neuer Radspuren – viel mehr bringt der Senat trotz anderslautender Beschlüsse nicht zustande – nicht beheben lässt.

Der Ausweg ist ein Deal: Radfahrer bekommen Rechte und halten sich dafür an Regeln. Der Innensenator lässt rigoros die Radspuren freischleppen, die Polizei bestraft ebenso rigoros die Gehwegraser. Radwege und Markierungen werden so gemacht, dass man die Chance hat, sich legal zu verhalten und trotzdem gut anzukommen. Das ist vor allem in den Außenbezirken kaum möglich.

Doch der Senat scheint Angst zu haben vor einer Autolobby, die es so nicht mehr gibt – auch weil die Fakten ihre Argumente überholt haben: Die Luft an vielen Hauptstraßen ist immer noch dreckiger als von der EU erlaubt. Die meisten Menschen bewegen sich zu wenig. Die Ressourcen der Welt geben Autos für alle nicht her. Und wenn sich herumspricht, dass auf einen Autostellplatz acht Fahrräder passen, klappt’s auch mit der wachsenden Stadt.

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