BND-Spitzelei in der Türkei: Geheimdienstchefs sollen Affäre klären
Berlin und Ankara wollen über die Spionage des BND in der Türkei sprechen. Nach einem Telefonat der Außenminister sollen nun die Chefs der Geheimdienste sich austauschen.
Nach Berichten über eine Bespitzelung der Türkei durch den Bundesnachrichtendienst (BND) haben Berlin und Ankara nach türkischen Angaben ein baldiges Treffen ihrer Geheimdienstchefs vereinbart. Darauf hätten sich die Außenminister Ahmet Davutoglu und Frank-Walter Steinmeier (SPD) während eines Telefonats am Montagabend verständigt, berichtete die Nachrichtenagentur Anadolu unter Berufung auf Diplomaten. Beim Treffen der Geheimdienstler solle die deutsche Seite den türkischen Kollegen eine Erklärung für das Vorgehen des BND liefern.
Kritik bekräftigt
In dem Telefonat bekräftigte Davutoglu laut Anadolu die Kritik an der mutmaßlichen Bespitzelung. Es widerspreche dem Geist der Partnerschaft, ein verbündetes Land zum Ziel geheimdienstlicher Tätigkeiten zu erklären, habe Davutoglu seinem deutschen Kollegen gesagt. Der Lauschangriff sei nicht hinnehmbar. Davutoglus Ministerium hatte sich am Montag ähnlich geäußert und den deutschen Botschafter in Ankara, Eberhard Pohl, zu einem Gespräch ins Ministerium zitiert.
Botschafter einbestellt
Davutoglus Ministerium erklärte, Pohl sei einbestellt worden, um klipp und klar über die türkische Haltung informiert zu werden. Das Vorgehen des Bundesnachrichtendienstes gefährde die deutsch-türkische Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen und sei unter Freunden und Verbündeten vollkommen inakzeptabel. Dagegen bemühte sich die Bundesregierung, den Streit herunterzuspielen. Außenamtssprecher Martin Schäfer sagte in Berlin, Botschafter Pohl habe sich mit einem Vertreter des türkischen Außenministeriums zusammengesetzt. Das Treffen sei in freundlicher Atmosphäre verlaufen. „Es war ausdrücklich keine Einbestellung.“
Dem Nachrichtenmagazin "Spiegel" zufolge steht der Nato-Partner Türkei im Auftragsprofil der Bundesregierung für den BND. Auch "Süddeutsche Zeitung", NDR und WDR hatten berichtet, das geltende Auftragsprofil für den deutschen Geheimdienst aus dem Jahr 2009 umfasse ein Nato-Land - ohne dessen Namen zu nennen. Der BND soll zudem 2013 mindestens ein Gespräch von US-Außenminister John Kerry und 2012 von seiner Vorgängerin Hillary Clinton abgehört haben. Beide Gespräche sollen unbeabsichtigt im Überwachungsnetz des Dienstes gelandet sein.
Türkische Medien strichen in ihren Berichten heraus, deutsche Regierungsvertreter hätten den Lauschangriff auf die Türkei mit dem Hinweis gerechtfertigt, der Staat am Bosporus sei für Deutschland nicht in einer Liga wie die USA oder andere befreundete Länder. Energieminister Taner Yildiz sagte, wenn die Deutschen Fragen oder Probleme hätten, könnten sie sich doch direkt an Ankara wenden.
"Moralische Verantwortung"
Davutoglu selbst erklärte, es sei das gute Recht der Türkei, von Berlin schnellstmöglich eine Erklärung zu dem Fall zu verlangen. Es gehe auch um die „moralische Verantwortung“ in den Beziehungen zwischen zwei Verbündeten. Die Türkei werde die Entwicklung weiter sehr genau beobachten. Die Lage sei „unverzeihlich“.
Die Spionagevorwürfe gegen Deutschland kommen für Davutoglu zu einem kritischen Zeitpunkt. Er ist Favorit für den Posten des türkischen Ministerpräsidenten, der kommende Woche bei Amtsantritt des neuen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan frei wird. Davutoglu soll auch neuer Chef der Regierungspartei AKP werden. Erdogan will an diesem Donnerstag den Namen seines designierten Nachfolgers bekannt geben.
Davutoglu muss deshalb darauf achten, in der Öffentlichkeit nicht als Schwächling dazustehen. Gleichzeitig darf er es mit seiner Kritik aber auch nicht übertreiben. Bei seiner Forderung nach einer Erklärung der Bundesregierung zum BND-Spionagefall betonte Davutoglu ausdrücklich, er habe sich mit Erdogan abgestimmt.
Schon länger im Verdacht
Westliche Länder stehen in der Türkei schon lange im Verdacht, das Land ausspionieren zu wollen. Im Dezember 2002 mussten sich Vertreter der deutschen politischen Stiftungen in Ankara wegen des Vorwurfes der Spionage vor Gericht verantworten; sie wurden nach mehrmonatiger Prozessdauer freigesprochen.
Offenbar hat aber nicht nur der BND die Türkei unter die Lupe genommen. Nach einem Bericht des Londoner "Guardian" ließ die britische Regierung vor fünf Jahren den türkischen Finanzminister Mehmet Simsek und dessen 15-köpfige Delegation während eines Besuches in London abhören. Damit hätten die britischen Behörden etwas über den Grad der Zusammenarbeit der türkischen Regierung mit dem Rest der Gruppe der 20 wichtigsten Industrienationen (G-20) erfahren wollen. (mit dpa/AFP)