Energiewende-Pläne: Gabriel erfährt Widerstand von allen Seiten
Interessenverbände versuchen, die Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes zu zerpflücken. Die Pläne von Minister Gabriel stoßen nicht mal bei Parteifreunden auf offene Ohren.
Die Schockstarre hat nicht lange angehalten. Wenige Tage nach dem Kabinettsbeschluss über das Eckpunktepapier zur Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) formieren sich die Interessengruppen und geben sich alle Mühe, das Papier zu zerpflücken. Energieminister Sigmar Gabriel (SPD) trifft sich fast im Stundentakt mit Industrieverbänden, hält Reden vor der Energiewirtschaft und am Donnerstag seine erste Regierungserklärung vor dem Bundestag.
Die Industrieverbände stören sich vor allem daran, dass Strom, der in neuen Kraftwerken für den Eigenverbrauch von Fabriken erzeugt wird, in Zukunft nicht mehr komplett von der EEG-Umlage befreit bleiben soll. Dass Gabriel zudem bestehende Anlagen mit den zusätzlichen Kosten belasten will, sobald die Umlage erneut steigt, empört sie zusätzlich.
Außerdem fürchtet vor allem die heimische Baustoffindustrie, dass sie das Kriterium „im internationalen Wettbewerb stehend“ womöglich nicht erfüllt und künftig nicht mehr unter die „Besondere Ausgleichsregelung“ fallen könnte, die die energieintensive Industrie weitgehend von der EEG-Umlage entlastet. Dagegen hat die Kommission der Europäischen Union (EU) ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet.
Der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) ist noch viel unzufriedener mit dem Eckpunktepapier. Der BEE verlangt, dass Regierung und Parlament noch einmal grundlegend über die Ausbaugeschwindigkeit mit sich verhandeln lassen. Die beschlossenen Ausbaukorridore sind dem BEE zu klein. Bis 2020 solle der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung 45 Prozent betragen und nicht nur die im Koalitionsvertrag beschlossenen 40 bis 45 Prozent erst 2025. Dass Windstrom an Land und die Fotovoltaik jährlich lediglich um 2500 Megawatt Leistung wachsen sollen, findet der Verband falsch, weil diese beiden Energieformen mit neu errichteten Gas- oder Kohlekraftwerken konkurrieren könnten.
Am Mittwoch hat sich außerdem ein neuer Zusammenschluss von Energiewende-Verteidigern gegründet: das Bündnis Bürgerenergie. Darin haben sich Energiegenossenschaften und private Investoren zusammengetan, die auch künftig Bürgerwindparks oder Bürgersolaranlagen gebaut wissen wollen. Immerhin sind aktuell gut die Hälfte aller errichteten Anlagen für erneuerbare Energien in Bürgerhand. Das werde aber nicht so bleiben, wenn die von Gabriel vorgelegte Reform umgesetzt werde, sagte Ursula Sladek, Trägerin des Deutschen Umweltpreises und eine der Gründerinnen der Elektrizitätswerke Schönau (EWS) in Berlin. Allein der Stichtag 22. Januar „vernichtet Millionen Euro privaten Kapitals“, sagte sie. Gabriel hatte vorgeschlagen, nur noch Windräder, die bis zum 22. Januar genehmigt worden sind, nach den alten EEG-Regeln zu vergüten. Gerade bei Windrädern entstünden aber Jahre vor der Genehmigung schon hohe Kosten, die verloren seien, wenn sich das Projekt nach den neuen Regeln nicht mehr rechne. Das Bündnis kritisierte die mangelnde Berücksichtigung „echter Bürgerbeteiligung“ in der Reform.
Bei den Ländern dagegen zeichnen sich schon jetzt Bündnisse ab, die nicht unbedingt den Parteilinien folgen. Der Stuttgarter Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat sich mit seinem bayerischen Kollegen Horst Seehofer (CSU) zusammengetan, um Stimmung gegen die Beschränkung von Biogas zu machen. Dafür hat der Kieler Torsten Albig (SPD) sogar schon mit dem Vermittlungsausschuss gedroht, wenn in seinem Land nicht mehr Windräder aufgestellt werden dürften. Sigmar Gabriel hat also alle Hände voll zu tun.