Streit um die Kohlefinanzierung: Gabriel bricht Hendricks’ Versprechen
Die bundeseigene KfW-Bank wird wohl weiter Kohlekraftwerke im Ausland fördern, obwohl Umweltministerin Barbara Hendricks im September den Ausstieg aus der Finanzierung versprochen hat.
Der Streit zwischen Umweltministerin Barbara Hendricks und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (beide SPD) über die deutsche Kohlefinanzierung im Ausland wird wohl erst im kommenden Jahr gelöst. An diesem Mittwoch hätte Gabriels Ministerium dem Wirtschaftsausschuss eigentlich einen Bericht darüber vorlegen sollen, wie es mit der Förderung der bundeseigenen KfW-Bank für Kohlekraftwerke, Kohlebergbau und die Infrastruktur dafür, beispielsweise Häfen, weitergehen soll.
Nachdem die Entwicklungsbanken ihre Förderung für Kohleprojekte fast vollständig aufgegeben haben und auch Frankreich erklärt hat, keine Kredite für Kohlekraftwerke im Ausland mehr abzusichern, ist Deutschland ziemlich unter Druck geraten. Beim Klimagipfel des UN-Generalsekretärs Ban Ki Moon hatte Hendricks angekündigt, dass sich auch Deutschland aus dieser Finanzierung zurückziehen werde. Doch dann begannen die Industrieverbände, Druck auf Gabriel auszuüben. Der BDI will den Export von Kohlekraftwerken auch in Zukunft gefördert wissen, und auch der Verband der Anlagenbauer VDMA will nicht auf das Staatsgeld im Ausland verzichten. Ein Ende der Förderung und der Hermesbürgschaften komme einem Exportverbot gleich, argumentiert die Industrie
Sigmar Gabriel behält sich die Entscheidung selbst vor
Am Montag haben sich die Staatssekretäre mehrerer Ministerien offenbar darauf geeinigt, den Export dann zu fördern, wenn Kraftwerke einen Mindesteffizienzgrad aufweisen und auf die Kohlendioxid-Abscheidetechnik CCS aufgerüstet werden könnten. In der Diskussion ist ein Effizienzgrenzwert von 43 Prozent für Braun- und 44 Prozent für Steinkohlekraftwerke. Doch das scheint Gabriel nicht genug zu sein. Am Dienstag sagte er, er habe sich vorbehalten, den Bericht der Staatssekretäre selbst zu genehmigen. Er bedauere, dass die vorherige Regierung die Entwicklung der CCS-Technologie beendet habe. „Es wäre doch verrückt“, diese „effiziente Technologie“ nicht zu exportieren. „Unsere Anlagenbauer exportieren beste Technik“, fügte er hinzu. „Deswegen werden wir ihnen das auch in Zukunft erlauben.“
Seit Mai "prüft" die Regierung, ob sie weiterhin in den Aufbau einer kohlenstoffintensiven Infrastruktur im Ausland investieren will. Die Internationale Energieagentur (IEA) warnt schon seit Jahren davor, dass bei einer fortgesetzten Investition in neue Kohlekraftwerke der Treibhausgasausstoß über Jahrzehnte festgeschrieben werde. Die Weltbank warnt, dass eine globale Erwärmung von mindestens 1,5 Grad im Vergleich zum Beginn der Industrialisierung bereits heute im Klimasystem enthalten sind.
Die Industrie redet von Klimaschutz
Die Industrie, aber auch viele CDU-Politiker, halten dennoch am Argument fest, es sei klimafreundlicher, "effiziente deutsche Kohlekraftwerke" in China oder Indien zu bauen, als weniger effiziente Kraftwerke mit einem durchschnittlichen Wirkungsgrad von 30 Prozent. Der ehemalige Umweltminister Indiens, Jairam Ramesh, rechnet damit, dass Indien trotz eines gewaltigen Ausbauprogramms von Solarenergie und Windstrom im Jahr 2030 noch einen Kohlestromanteil von etwa 55 Prozent aufweisen wird. Aktuell liegt der indische Kohlekonsum bei einer halben Milliarde Tonnen Kohle im Jahr, bis 2020 rechnet Ramesh mit einer Verdopplung des Verbrauchs.
Deshalb argumentiert beispielsweise der CDU-Vorsitzende in Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, dass "effiziente Kohlekraftwerke" den Treibhausgasausstoß senken würden. Genau die gleichen Argumente bringen die Unternehmen vor, die Kohlekraftwerke exportieren - und finanzieren lassen - wollen.
"Missachtung des Parlaments"
Am Mittwoch hätte die Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, Iris Gleicke, dem Wirtschaftsausschuss einen Bericht über die künftige Strategie der Regierung in Sachen Kohlefinanzierung im Ausland liefern sollen. Doch Gabriel "prüft" noch. Deshalb stand sie mit leeren Händen vor dem Ausschuss. Die grüne Klimapolitikerin Annalena Baerbock (Grüne) empört das: "Dass die Bundesregierung uns den Bericht vorenthält ist nicht nur ein Armutszeugnis für die Klimapolitik, sondern auch ein Affront gegenüber dem Parlament." Eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums sagte dem Tagesspiegel, der geforderte Bericht werde "so schnell wie möglich ans Parlament geschickt".
Die Klima-Allianz und die Umweltgruppe Urgewald kämpfen seit Monaten darum, dass die Bundesregierung ihre Politik ändert. Nach Recherchen von Urgewald lässt sich auch das Argument, dass deutsche Kohlekraftwerke effizienter seien als chinesische nicht mehr halten. Neue chinesische Kohlekraftwerke weisen ähnliche Effizienzwerte auf wie deutsche