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Wie regieren in Thüringen? Wahlsieger Bodo Ramelow (Linke)
© Reuters/Annegret Hilse

Welche Koalition für Thüringen?: Fürchtet euch nicht vor der Minderheitsregierung!

Ist eine Minderheitsregierung von Übel, in Thüringen und sowieso? Keineswegs, denn das hat schon in anderen Bundesländern funktioniert. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Ja, es wäre eine Ausnahme. Aber nicht die erste. Außerdem wäre es eine Übergangslösung. Vor der wir – oder die Thüringer – keine Furcht haben müssen. Weiter nördlich, in Skandinavien, leben sie immer wieder ganz gut damit.

Aber auch hierzulande geht’s. Schon vergessen? Sachsen-Anhalt 1994, unter Reinhard Höppner. Bis 2002. Oder Berlin, Klaus Wowereit 2001, ein paar Monate. Sogar Richard von Weizsäcker, 1981 bis 1983. Hessen 1982 unter Holger Börner, Nordrhein-Westfalen 2010 mit Hannelore Kraft. Tja. Und keines dieser Länder ist untergegangen.

Bodo Ramelow kann ja auch im Amt bleiben, es in absehbarer Zeit zu gar keiner neuen Konstellation kommt. Fristen für den Übergang kennt die thüringische Landesverfassung nicht. Die im Übrigen in diesem Punkt von der schleswig-holsteinischen abgeschrieben ist.

Wechselnde Mehrheiten stärken das Parlament

Wechselnde Mehrheiten – oder anders: immer neue Mehrheiten – sind demokratietheoretisch und -praktisch ganz im Gegenteil gar nicht mal so übel. Eine Form von Erfrischung zwischendurch, vielleicht. Warum? Weil sie das Parlament stärken. Das doch der eigentliche Vertreter des Souveräns, der Wähler, ist.

Ein Parlament kann sich immerhin eine neuen Regierung wählen, andersherum funktioniert das nicht. Wer also etwas durchsetzen will, muss Entscheidungsfindung im Diskurs praktizieren. Je nach Projekt reden, reden, reden und überzeugen. Nicht das Schlechteste. So können Argumente und Abgeordnete zu ihrem angestammten Recht kommen.

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Viele Parteien für breiten Konsens

Und auch der Kompromiss kommt weg von seinem schlechten Image. Dabei ist er der Weg zur Lösung einer Sachfrage – zum Nutzen aller. Oder möglich vieler. Gut auch gegen diese Rechten, die Vereinfacher und Ver-Führer. Wo mehr Parteien an der Gesetzgebung beteiligt sind, wird der Konsens breiter – und das Volk fühlt sich stärker beachtet. Nicht Spiegelstriche in ellenlangen Koalitionsverträgen werden abgehakt, sondern die Volksvertreter arbeiten sich in aller Öffentlichkeit an den Problemen ab.

So weit, so gut. Ja, da ist noch die Sache mit der Stabilität… Verzetteln dürfen sie sich nicht, dürfen sich nicht verlabern im Parlament. Was wiederum auch eine Anforderung an die Regierung ist, an den Regierungschef. Da kann sich Führung beweisen. Und wenn es gar nicht klappt, dann ist die größte Gefahr: Neuwahlen. Also: Fürchtet euch nicht. Lebt Demokratie!

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