Schuldenstreit mit Griechenland: Für Yanis Varoufakis ist die Sache klar
Ob EU oder Griechenland - beide sehen nach dem Scheitern der Verhandlungen den Ball bei der Gegenseite. EU-Kommissar Oettinger dringt auf einen Notfallplan.
Nach dem Scheitern des Vermittlungsversuchs im Schuldenstreit und dem Absturz der Börse hat Athen neue Einigungsbereitschaft signalisiert. "Einziges Ziel der Regierung ist ein Abkommen" mit den Geldgebern, und er hoffe auf eine rasche neue Kontaktaufnahme, sagte Regierungssprecher Gabriel Sakellaridis am Montag. Eine EU-Kommissionssprecherin sagte in Brüssel, Athen habe nach langem Widerstand ein Primärüberschuss-Ziel von einem Prozent für 2015 akzeptiert, allerdings noch nicht die dafür notwendigen Maßnahmen.
Noch am Vormittag hatte Finanzminister Yanis Varoufakis gesagt, dass er die Geldgeber seines Landes am Zug sehe. „Heute ist ein schöner Tag. Die Sache ist kristallklar: Endlich sind wir an den Punkt gelangt, wo die
Partner Entscheidungen treffen müssen“, sagte Varoufakis dem Sender der regierenden Linkspartei Syriza „Sto Kokkino“ am Montag. Auch Kanzlerin Angela Merkel müsse sich entscheiden, fügte Varoufakis hinzu. Athen spiele keine Spiele und bluffe nicht, betonte der griechische Finanzminister. Athen habe den Gläubigern mehrere alternative Vorschläge für Sparmaßnahmen gemacht. Diese aber bestünden weiter auf Rentenkürzungen. Griechenland werde dem nie zustimmen. Griechenland habe den Institutionen gesagt, „bis hier und keinen Schritt weiter“, hieß es.
Ab 1. Juli "Notstandsgebiet"
EU-Kommissar Günther Oettinger dringt derweil auf einen Notfallplan für die Griechen für den Fall ihres Ausscheidens aus der Eurozone. Wenn sich Athen bei der Forderung der internationalen Geldgeber nach weiteren Rentenkürzungen nicht bewege und die Verhandlungen scheiterten, werde Griechenland zum 1. Juli ein „Notstandsgebiet“, sagte Oettinger am Montag vor Sitzungen der CDU-Spitze in Berlin.
Athen ringt seit Monaten mit den internationalen Geldgebern von Europäischer Zentralbank (EZB), Internationalem Währungsfonds (IWF) und EU um weitere Hilfsmilliarden. Das aktuelle, bereits verlängerte Hilfsprogramm läuft Ende Juni aus. Über das Wochenende spitzte sich die Lage im Schuldenstreit nochmals zu. Ein Vermittlungsversuch von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker scheiterte.
Griechenland will Schuldenschnitt
In einem vorab veröffentlichten “Bild“-Interview (Montag) sagte Varoufakis, dass Land brauche eine Umschuldung. “Nur so können wir die Rückzahlung von so viel Schulden wie möglich garantieren und auch leisten.“ Er würde auf weitere Hilfsgelder verzichten, wenn die Gläubiger von EZB, IWF und EU einen Schuldenschnitt anbieten würden. Auch der IWF wolle eine Umschuldung. Außerdem benötige Griechenland “eine Streckung der Laufzeiten“. Einen Grexit halt er für keine sinnvolle Lösung. “Aber alles ausschließen kann niemand, auch ich kann nicht ausschließen, dass ein Komet die Erde trifft.“ Der Finanzminister des von einem Staatsbankrott bedrohten EU- und Nato-Staates sagte zugleich: “Wir wollen kein weiteres Geld.“ Deutschland und der Rest der Euro-Zone hätten Griechenland “doch schon zu viel Geld gegeben - und zwar gehörig“. Griechenland wolle “keinen Cent für Löhne und Renten und Schuldentilgung“. Trotz der festgefahrenen Gespräche könne es eine schnelle Einigung geben, sagte Varoufakis. “Eine Einigung könnte in einer Nacht erreicht werden. Aber: Die Kanzlerin muss dabei sein.“ Das seinem Land von den Gläubigern auferlegte Sparprogramm sei gescheitert. “Es führt kein Weg daran vorbei: Wir müssen ganz von vorn anfangen, Tabula rasa machen.“
Zugleich räumte er massive Probleme in der staatlichen Finanzverwaltung ein, etwa bei der Mehrwertsteuer: “Wissen Sie, was unser wirkliches Problem mit der Mehrwertsteuer ist? Wir sind nicht in der Lage, sie zu kassieren“, erklärte der Athener Finanzminister. Er warnte davor, wie von den Gläubigern gefordert, die Mehrwertsteuer für “wichtige Lebensbereiche“ auf 23 Prozent zu erhöhen: “Dann kommt noch weniger in die Kassen. Klingt verrückt, aber es ist so: Je höher diese Steuern, je weniger zahlen die Leute, sie fühlen sich dann berechtigt, nicht mehr zu zahlen.“ AFP/dpa/rtr