Grüne: Für alles offen
Die Grünen wollen auf ihrem Parteitag Lehren aus der Wahlniederlage ziehen – und neue Bündnisse prinzipiell möglich machen.
Die Grünen wollen sich in Zukunft stärker für Schwarz-Grün oder Rot-Rot-Grün öffnen. „Wir müssen unseren Teil dazu beitragen, dass diese Optionen für die Zukunft auch zu belastbaren Bündnissen werden können“, heißt es in einem Antrag des Bundesvorstands für den Parteitag, der an diesem Freitag beginnt. Die Grünen seien nun zum dritten Mal in Folge mit ihrem Wahlziel gescheitert, eine rot-grüne Mehrheit zu erzielen. „Daraus gilt es, Konsequenzen zu ziehen“, heißt es weiter.
Ähnliche Texte haben die Grünen auch schon auf früheren Parteitagen beschlossen – allerdings in Wahlkampfzeiten nicht mehr beherzigt. Bereits nach dem Ende von Rot-Grün beschwor die Ökopartei im Oktober 2005 ihre Eigenständigkeit. „Wenn wir im Bund mittelfristig nicht nur auf die Karte Rot-Grün oder auf die Rolle der Opposition beschränkt werden wollen, müssen wir auch daran arbeiten, neue Bündnisse parlamentarisch möglich zu machen“, hieß es damals.
So manch einer der rund 800 Delegierten dürfte sich daran wieder erinnern, wenn es an diesem Wochenende darum geht, Lehren aus dem schlechten Abschneiden bei der Bundestagwahl zu ziehen. Zwar haben die Grünen in ihrem Wahlprogramm formal keine Koalition ausgeschlossen, sie setzten aber im Wahlkampf ausschließlich auf Rot-Grün. Und das, obwohl sie auch nach der Bundestagswahl 2009 auf ihrem Rostocker Parteitag festgestellt hatten, dass sie das beste Wahlergebnis ihrer Geschichte auch der Tatsache zu verdanken hätten, dass sie „niemandes Anhängsel“ gewesen, sondern als „eigenständige Kraft“ aufgetreten seien.
Für Diskussionen werden auf dem Parteitag auch die Sondierungsgespräche sorgen, welche die Grünen in den vergangenen Tagen mit der Union geführt haben. „Auf Grundlage der Ergebnisse dieser Sondierungsgespräche“, heißt es in der Vorlage des Bundesvorstands, „werden wir Grüne deshalb keine Koalitionsverhandlungen mit der Union aufnehmen.“ Die Formulierung „diese Sondierungsgespräche“ schließt bewusst nicht aus, dass es eine neue Gesprächsrunde geben könnte, falls eine große Koalition am Widerstand der SPD-Basis scheitert. Dies sei zwar ein „sehr hypothetischer Fall“, sagt Parteichef Cem Özdemir. Er stellt aber klar: „Dann werden wir selbstverständlich den Hörer abheben, wenn wir einen Anruf von der Union bekommen.“ Die Grünen würden dann aber auch darauf drängen, „dass die SPD ebenfalls einlädt, damit auch die Linkspartei getestet wird, ob sie bereit ist, sich etwa auch auf eine Schuldenbremse einzulassen“, sagt Özdemir.
Eine Hintertür für eine schwarz-grüne Koalition offen zu lassen, passt manch einem von der Basis jedoch nicht. „Keine Koalition mit der CDU“, verlangt der Kreisverband Peine. Mehrheitsfähig dürfte diese Forderung allerdings nicht sein. Schon auf dem Wahlprogrammparteitag im April 2013 hatte es ein deutlich vernehmbares Murren wegen der Fixierung auf die SPD gegeben. „Koalitionspräferenzen kann es auch in Zukunft geben, das Ketten an eine Partei allerdings nicht“, heißt es denn auch in einem Antrag, den namhafte Grünen-Politiker des linken Flügels einbringen. Mehrere Basisvertreter würden außerdem gerne ausloten, welche Chancen ein rot-rot-grünes Bündnis hätte. Der Bundesvorstand solle „unverzüglich“ SPD und Linke zu ernsthaften Sondierungen einladen, heißt es in einem Antrag.
Nach der Analyse des enttäuschenden Wahlergebnisses wollen sich die Grünen an diesem Wochenende auch personell neu aufstellen. Die langjährige Parteichefin Claudia Roth verabschiedet sich aus der Führung. Für ihre Nachfolge bewirbt sich die ehemalige saarländische Umweltministerin Simone Peter. Der bisherige Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir will sich wieder wählen lassen. Er muss allerdings bei der Wahl am Samstag mit einem Dämpfer rechnen, das schlechte Wahlergebnis wird auch ihm angelastet. Für die Bundesgeschäftsführung bewirbt sich Michael Kellner, der früher Büroleiter bei Claudia Roth war. Er tritt die Nachfolge von Steffi Lemke an. Für den Bundesvorstand kandidiert außerdem die Berliner Landesvorsitzende Bettina Jarasch. Neu gewählt werden soll außerdem der Parteirat. Für einen der 16 Plätze in diesem Gremium bewerben sich auch prominente Vertreter aus den Ländern: Dazu gehören die stellvertretende Ministerpräsidentin aus Nordrhein-Westfalen, Sylvia Löhrmann sowie der hessische Landesvorsitzende Tarek Al-Wazir.
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