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Die Politik empört sich über Fristverträge - und stellt selbst gern befristet ein, etwa in Schulen und an Universitäten.
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Arbeitspolitik: Fristverträge sind besser als keine

In der Debatte um die "sachgrundlose Befristung" von Arbeitsverträgen ist vor allem die Empörung "sachgrundlos". Eine Kolumne

Eine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen wird zu den ersten Dingen gehören, die eine neue Große Koalition abschaffen soll. Das will die SPD. Völlig zu Unrecht allerdings. Denn die Möglichkeit, Arbeitsplätze zu befristen, schadet den Beschäftigten nicht.

Der Begriff „sachgrundlose Befristung“ beschreibt das Recht von Arbeitgebern, Arbeitsverträge ohne Angabe von Gründen auf zwei Jahre zu beschränken. Die „Sachgrundlose Befristung“ gilt den Sozialdemokraten als ganz fiese Schikane für Beschäftigte. Auf der Sündenskala des Kapitalismus rangiert sie ganz knapp vor „Lohndumping“ und nicht weit hinter „sexueller Belästigung“.

Es stimmt: Viele Arbeitnehmer leiden unter der Befristung ihrer Stelle. Sie können sich nicht darauf verlassen, dass sie weiterbeschäftigt werden. Sie scheuen sich oft, große Lebensentscheidungen wie Familiengründung oder Wohnungskauf zu treffen. Manche fühlen sich als Beschäftigte zweiter Klasse. Kein Wunder, dass sie bei der ersten Gelegenheit zu einem Arbeitgeber wechseln, der ihnen mehr Verlässlichkeit bietet.

Die meisten Fristverträge gibt es bei öffentlichen Arbeitgebern

Daraus aber einen arbeitsmarktpolitischen Skandal zu machen, ist übertrieben. Sachgrundlose Befristungen sorgen in konjunkturell schlechten Zeiten dafür, dass Unternehmen ihre Stellen überhaupt besetzen. In wirtschaftlich guten Zeiten werden diese Jobs meist in unbefristete Arbeitsverhältnisse umgewandelt. Heute wird nur noch jede 20. neue Stelle befristet. Kaum mehr als sechs bis sieben Prozent der abhängig Beschäftigten haben einen solchen Arbeitsplatz. Je länger der Aufschwung dauert, desto weniger sind es.

Nur bei sehr jungen und älteren Beschäftigten ist das anders. Bei ihnen wirkt die Befristung wie eine verlängerte Probezeit. Ohne diese Möglichkeit würden sie vermutlich gar nicht eingestellt.

Bevor künftige Koalitionäre die ganz große Moralkeule schwingen, sollten sie sich noch folgende Statistik vor Augen führen: Den höchsten Anteil an befristeter Beschäftigung gibt es im Erziehungs- und Sozialwesen, an Schulen und Universitäten. Hier gibt es weder Konjunktur, noch schwankende Auftragslage, noch skrupellose Kapitalisten. Hier bestimmen dieselben Politiker über die Arbeitsbedingungen, die auf Parteitagen gegen die vermeintliche Gewinnsucht der Unternehmen zu Felde ziehen.

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