Pakistan: Freundliche Grüße an den Erzfeind
Ex-Premier Nawaz Scharif steht als Wahlsieger in Pakistan fest. Er verspricht dem Land Reformen – und bessere Beziehungen zu Indien.
Pakistans neuer starker Mann verliert keine Zeit. Die letzten Stimmen sind noch nicht ausgezählt, da hat Nawaz Scharif bereits Gespräche begonnen, um eine Regierung zu bilden. „Ich appelliere an alle Parteien, sich mit mir an einen Tisch zu setzen, um die Probleme des Landes zu lösen“, sagte der 63-Jährige, der sich anschickt, zum dritten Mal Premier der Atommacht zu werden. Seine konservative Muslim-Liga hat die Wahl vom Samstag klar gewonnen.
Scharif weiß, dass die Menschen schnelle Erfolge bei den zwei größten Problemen sehen wollen: der Wirtschaftskrise und dem Terror. Und er will liefern. Binnen 100 Tagen werde seine Regierung Konzepte erarbeiten, kündigte er am Montag an. Dabei habe die Wiederbelebung der Wirtschaft oberste Priorität. Auch werde seine Regierung einen nationalen Plan entwickeln, um den Terrorismus einzudämmen.
Ungeachtet möglicher Widerstände in Pakistan streckte er dem Erzfeind Indien die Hand aus. Laut Medien kündigte er an, Indiens Premier Manmohan Singh zu seiner Vereidigung einladen zu wollen. In Indien stieß Scharifs Sieg denn auch auf ein ausnehmend positives Echo. Delhi traut ihm eher als der schwachen Regierung der Bhutto-Partei PPP zu, den Friedensprozess voranzubringen.
Scharif, Spross einer Industriellenfamilie, der als Wirtschaftsliberaler und Reformer gilt, muss beweisen, dass er dazugelernt hat. In den 90er Jahren stand er bereits zwei Mal an der Spitze des Landes. Doch er regierte so schlecht, dass ihm kaum jemand nachtrauerte, als er vorzeitig aus dem Amt scheiden musste.
Viel wird davon abhängen, wie Scharif mit dem Militär zurechtkommt. Der „Löwe des Punjab“, wie er sich selbst nennt, pocht darauf, den Kurs in der Außenpolitik vorzugeben, der bisher vom Militär bestimmt wird. 1999 hatte ihn der damalige Armeechef Pervez Musharraf kurzerhand unblutig aus dem Amt geputscht, als Scharif ihn absetzen wollte.
Obwohl Scharifs Muslim-Liga (PML-N) nach Trendzahlen mit 130 Stimmen vor einem herausragenden Sieg steht, könnte sie die alleinige Mehrheit knapp verfehlt haben. Derweil liegt die Partei des einstigen Kricketstars Imran Khan (PTI) ähnlich wie die bisher regierende PPP bei etwa 30 Mandaten. Der Wahlausgang spiegelt einen Rechtsruck im Land wider. Sowohl Scharif als auch Khan stehen den Religiösen näher als die PPP. Beide fangen damit aber auch Wähler ein, die andernfalls zu den islamistischen Parteien abdriften könnten, die nach der Scharia rufen.
Der Westen gibt sich zunächst abwartend. Scharif hat angekündigt, er wolle Gespräche mit den pakistanischen Taliban suchen, um den Bürgerkrieg zu beenden. Dabei könnte seine Nähe zu den Religiösen durchaus dienlich sein. Gelingt ihm in Pakistan ein Deal mit den Taliban, könnte das auch die stockenden Gespräche in Afghanistan neu beleben.
Scharif gilt als Pragmatiker. Er steht der US-Politik kritischer gegenüber als die bisher von der Bhutto-Partei PPP geführte Regierung. Er will aber gleichfalls mit den USA zusammenarbeiten, die Pakistan mit Milliardenhilfen unterstützen. Konfliktstoff bergen die Drohnenattacken der USA auf Pakistans Stammesgebiete. Das höchste Gericht von Peschawar verurteilte die Bombardierung nun als Kriegsverbrechen und Verletzung der Souveränität Pakistans.