Vereint gegen Trump: Freiheitliche Internationale
Die Verteidigung westlicher Werte ist nicht nur aus Sorge um Amerika geboten, sondern um unserer selbst willen. In den Niederlanden, in Frankreich, in Deutschland wird bald gewählt. Was, wenn die Falschen gewinnen? Ein Kommentar.
Das ist nicht einmal George W. Bush mit dem Irakkrieg gelungen: nahezu alle Verbündeten gegen sich aufzubringen. Gegen Donald Trumps Einreiseverbot für Muslime aus sieben Staaten erhebt sich eine freiheitliche Internationale. Von Australien über Kanada bis Großbritannien, Frankreich und Deutschland stellen sich die Regierungen ihm entgegen und verlangen die Einhaltung gemeinsamer westlicher Werte.
Es wirkt fast so, als fühlten sich die Alliierten aufgerufen, die USA gegen ihren neuen Präsidenten zu verteidigen. Dabei geht es nicht allein um den „Muslim Ban“, der ist nur der Auslöser. Auch bei der Handelsfreiheit, der Unterstützung der UN und ihrer Hilfsprogramme sowie der Solidarität mit den Opfern militärischer Aggression, zum Beispiel in Russlands Nachbarschaft, kündigen sich Grundsatzkonflikte an. Freilich mit vertauschten Rollen: Bisher hatten immer die USA ihre europäischen Partner gedrängt, offener zu sein für Einwanderer, den Versuchungen des Protektionismus nicht nachzugeben, sich Angreifern vereint entgegenzustellen und bei der Lösung internationaler Probleme wie Hunger, Seuchen und Klimawandel zu kooperieren. Jetzt ist es umgekehrt, die Partner drängen die USA zur Kurskorrektur.
Sie tun das mit unterschiedlicher Vehemenz. Manche werfen Bundeskanzlerin Angela Merkel vor, es sei zu wenig, wenn sie Trumps Vorgehen lediglich „bedauert“. Andere finden es nicht klug von Martin Schulz, dass er Trump „unverschämt und gefährlich“ nennt; wenn er ernsthaft Kanzler werden will, wird er im Erfolgsfall mit Trump zurechtkommen müssen. Wieder andere fordern harte Taten: Sollen Strafzölle mit Gegenzöllen beantwortet werden? Soll dann dem Botschafter, den Trump ernennt, die Akkreditierung verweigert werden, bis sichergestellt ist, dass deutsche Abgeordnete und Bürger iranischer Abstammung in die USA einreisen können?
Was kann Deutschland tun?
Wichtiger als Intonierungsfragen ist es, die prinzipielle Herausforderung zu beantworten: Was können, was müssen Deutschland und seine Partner tun, um Präsident Trump zu beeinflussen? Sie sollten sich, erstens, eingestehen, dass sie nicht die erste und wichtigste Kraft in diesem Ringen sind, sondern die Hilfstruppen. Der entscheidende Druck auf Trump kommt aus den USA selbst. Er kommt von den Gerichten, die seine Dekrete in Teilen für rechtswidrig erklären; von den Bürgern, die protestieren und tätige Solidarität mit den Opfern Trump’scher Erlasse zeigen; aus dem Kongress, wo sich neben den Demokraten auch einflussreiche Republikaner ihm entgegenstellen.
Anders als in Putins Russland und Erdogans Türkei, wo eine solche ernst zu nehmende Opposition fehlt, funktionieren in den USA Rechtsstaat, Gewaltenteilung und Zivilgesellschaft noch. Zu diesem ehrlichen Bild gehört allerdings auch: Teile der US-Gesellschaft stehen auf Trumps Seite, die Proteste beschränken sich auf große Städte. Dort sind die Flughäfen, wo Muslime festgesetzt wurden, dort haben die Demokraten ihre Hochburgen. Trumps Anhänger in den Dörfern und Kleinstädten sind ganz zufrieden.
Zweitens ist die freiheitliche Internationale nicht ganz so geschlossen, wie sie gerne wäre. In Europa gibt es Kräfte, die Trump laut oder leise Recht geben. Zum Beispiel die Regierungen von Polen und Ungarn; und generell die Wähler rechtspopulistischer und linkspopulistischer Parteien im Westen wie im Osten.
Drittens ist die Verteidigung westlicher Werte nicht nur aus Sorge um Amerika geboten, sondern um unserer selbst willen. In den Niederlanden, in Frankreich, in Deutschland wird bald gewählt. Wenn die Falschen gewinnen, werden unsere europäischen Gesellschaften dann die Widerstandskraft entwickeln, die wir heute in den USA sehen? Das ist nicht die Zeit für moralische Überlegenheitsgefühle gegenüber Trumps Amerika. Wir in Europa werden die Solidarität einer freiheitsliebenden Internationalen womöglich früher brauchen, als uns lieb ist.