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Auch in Niger werden Beschneidungen an Frauen durchgeführt, wenn auch in weit geringerem Ausmaß als beispielsweise in den Nachbarländern Nigeria oder Mali.
© Marcel Mettelsiefen/dpa

Internationaler Frauentag: Frauenrechte sind ein Weltproblem

Frauenrechtlerinnen kämpfen im Irak und in Syrien gegen Genitalverstümmelung. Diese Gewalt gegen Frauen ist Teil der globalen Krise. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Caroline Fetscher

Gästen das Wasser einschenken, Speisen für die Familie auftragen, heiraten? Das dürfen nur Mädchen und Frauen, die „rein“ sind. Mit solchen Argumenten erläutern viele Mütter und Großmütter im Norden des Irak, warum kleine Mädchen zwischen ihrem vierten und achten Lebensjahr „beschnitten“ werden. Katastrophisch wirken sich solche Begriffe von „Reinheit“ und „Unreinheit“ auf die Existenz von Millionen Frauen aus. Folgen der Eingriffe sind chronische Schmerzen, Beeinträchtigungen der Libido, Traumata und nicht selten der Tod der Kinder durch Verbluten oder Infektionen nach dem Eingriff.

Rund 140 Millionen Mädchen und Frauen sind von Genitalverstümmlung betroffen

Der deutsche Verein Wadi, ein überwiegend im Irak und in Syrien tätiger Verband für Krisenhilfe und solidarische Entwicklungszusammenarbeit, leitet deshalb eine hocheffiziente Kampagne gegen weibliche Genitalverstümmlung oder FGM („Female Genital Mutilation“). Die Berliner und Frankfurter gründeten Frauenzentren und ein Frauenradio, initiierten Workshops für Hebammen, eine Hotline für Betroffene und Lobbyarbeit mit Imamen und Politikern. Ihre Arbeit vor Ort stärkt demokratische Strukturen, gezielt, mit wenig Mitteln, wenig Personal und seit über 25 Jahren.

Jetzt, Anfang März 2016, erklärt Hannah Wettig, bei Wadi Koordinatorin der FGM-Kampagne, dass selbst die erfolgreichen Optimisten von Wadi gegen die schiere Verzweiflung ankämpfen. In Krieg und Krise drosseln Geldgeber ihre Unterstützung, ausgerechnet auch für solche Projekte, die unerschrocken Ursachen zerstörerischer Konflikte angehen.

Laut Weltgesundheitsorganisation der UN sind derzeit global rund 140 Millionen Mädchen und Frauen von Genitalverstümmlung betroffen, in Staaten wie Ägypten, Sudan, Nigeria, Jemen, Iran, Oman, Irak und Syrien bis hin zu Malaysia und Indonesien. Die Waffen in diesem permanenten Krieg gegen Frauen sind Rasierklingen, Scheren, Küchenmesser, Glasscherben. FGM soll Frauen gefügiger und verfügbarer machen, „rein“ kontrollierbar. Oft werden kleine Mädchen unter einem Vorwand zur Beschneidung gelockt, wo ihnen dann, auf den Boden gepresst, Klitoris und Schamlippen entfernt werden. „Tradition“ und „Religion“, etwa im Islam, müssen zur Rechtfertigung einer Praxis herhalten, die vor allem mythische, abergläubische Gründe hat.

So scheint es etwa, dass die Verstümmelten den „reinen“ Paradiesjungfrauen ähnlich werden sollen. Sie präsentieren sich als ambivalente Fusion der Bilder eines unberührten Mädchens, einer Lust spendenden Mutterbrust und einer willigen Vulva, während sich das Hymen nach jedem Akt erneuert. Im Paradies verfügt der Mann über „ewige Erektion“. Ihm stehen Jungfrauen zur Verfügung, die als „unbehaart außer an Kopf und Augenbrauen“ geschildert werden, mit weißer Haut, ewig jung. Sie sind „nie unzufrieden“, „singen Lobgesänge“, menstruieren nicht, verrichten keinerlei Notdurft und werden nicht schwanger. Zugleich sind sie „prachtvoll“, mit Brüsten wie Pfirsiche, „schönen Augen wie Perlen“ und einer anregenden Vulva. Ausgiebig stritten Schriftgelehrte über Details der Beschaffenheit der „Houris“, der Jungfrauen. (Quelle u.a.)

Mit einer realen, vitalen Frau ist das nicht zu haben

Wie die meisten in Patriarchaten fabrizierten Fantasien weist auch diese Himmelstapisserie auf ein komplexes Gewebe aus tiefen Ängsten wie unerfüllten Sehnsüchten, sexuellen Tabus und Verboten. Verheißungen von Kompensation im Jenseits entstanden nicht allein zum Erhalt von Herrschaft, sondern auch als Trostfantasien, die verwirrende Dilemmata offenbaren. Da will die strafbewehrte Frucht, Lust und Liebe, gekostet und zugleich das Antasten des Unantastbaren bemäntelt werden. Mit einer realen, vitalen Frau ist das nicht zu haben. Auch daher, so scheint es, die Zurichtung der „unreinen“ Mädchen zu „reinen“ Beschnittenen.

Organisationen wie Wadi arbeiten auf einem Territorium für Frauenrechte, das für die meisten Politiker inhaltlich zu unangenehm, politisch zu nebensächlich ist. Aufklärerische Arbeit im Dienst an Mädchen, wen interessiert das angesichts der Weltprobleme? Dabei gelte es zu begreifen: Genau das sind die Weltprobleme. Solche Mikrogewalt gehört zu den Ursachen der Makrogewalt.

Hannah Wettig von Wadi hält sich jetzt an einen Leitsatz, den sie aus Adornos „Minima Moralia“ kennt: „Die fast unlösbare Aufgabe besteht darin, weder von der Macht der anderen noch von der eigenen Ohnmacht sich dumm machen zu lassen.“

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