Prostitution: Frauen- und Sozialverbände warnen vor Verboten
Aus dem Prostitutionsgesetz will die Koalition eines zum Schutz der Prostituierten machen. Es könnte sie eher gefährden, finden Frauenverbände, Beraterinnen und auch die Diakonie.
Ein breites Bündnis von Frauenorganisationen und Sozialverbänden hat sich gegen die Pläne der Koalition gewandt, Prostitution neu zu regeln. Man unterstütze zwar das erklärte Ziel der Bundesregierung, Frauen und Männer in der Sexarbeit zu schützen, heißt es in einem Offenen Brief unter anderem des Deutschen Frauenrats, der Deutschen Juristinnenbundes, des Deutschen Frauenrats, der Diakonie und der Deutschen Aidshilfe. Ein höheres Mindestalter von 21 Jahren, verpflichtende Gesundheitsuntersuchungen und die Anmeldung bei den Behörden seien dafür aber kontraproduktiv. Unterschrieben haben den Brief auch zwei Beratungsstellen, der Berliner „Frauentreff Olga“ und die Mitternachtsmission Dortmund.
Vom Prostitutions- zum "Schutz"-Gesetz
SPD und Union hatten sich im Koalitionsvertrag 2013 auf eine Novellierung des seit 2002 gültigen Prostitutionsgesetzes geeinigt: „Wir wollen Frauen vor Menschenhandel und Zwangsprostitution besser schützen und die Täter konsequenter bestrafen“, heißt es darin. Mittel dazu seien eine neue Regulierung des Gewerbes und neue „ordnungsbehördliche Kontrollmöglichkeiten“. Im Sommer hatten Union und SPD sich bereits darauf geeinigt, dass Prostituierte sich künftig anmelden müssen und dass Flat-Rate- und Gruppensex (Gang Bang) verboten werden. Noch keinen Konsens gibt es über weitere Forderungen der Union: Sie möchte, dass die früher übliche amtsärztliche Pflichtuntersuchung für Prostituierten wieder eingeführt wird und dass Freier bestraft werden, die wissentlich die Dienste von Zwangsprostituierten einkaufen. Außerdem sollen nach dem Willen der Union nur Frauen und Männer im Gewerbe arbeiten dürfen, die mindestens 21 Jahre alt sind. Bisher gilt das allgemeine Mündigkeitsalter von 18 Jahren.
Wann ist Sexarbeit Zwangsarbeit?
Vor allem gegen die enge Verbindung von Sexarbeit und Menschenhandel wenden sich die Unterzeichnerinnen des Briefs, die ihn am Dienstag in Berlin präsentierten. Das geltende Gesetz handle von legaler und freiwilliger Prostitution, nicht davon, wie Gewaltopfer, Drogenabhängige, Minderjährige oder Menschen ohne Papiere zu schützen seien. Dieser Unterschied sei wichtig, sagte Maria Loheide, die im Vorstand der Diakonie für Sozialpolitik zuständig ist. Meinungsunterschiede gibt es im Bündnis allerdings über den Begriff der Zwangsprostitution. Frauen, die sich freiwillig prostituierten, seien „eher eine Minderheit“, meinte Susanne Kahl-Passoth vom Frauenrat. Andrea Hitzke, Leiterin der Dortmunder Mitternachtsmission, widersprach: Wenn Frauen, die mangels Bildung und Sprachkenntnissen keine andere Berufschance hätten, Prostituierte würden, seien sie damit noch keine Zwangsprostituierte. Marianne Rademacher, Frauenreferentin der Deutschen Aidshilfe, sieht den Blick auf Menschenhandel durch die Debatte um Prostitution verzerrt: Opfer von Menschenhandel arbeiteten "zum allergrößten Teil" nicht im Sex-Gewerbe, sondern in anderen ausbeuterischen Verhältnissen, zum Beispiel auf Schlachthöfen.
Kein Job wie jeder andere
"Niemand zweifelt, dass das jetzige Gesetz Nachbesserungen braucht", sagt Hitzke. Ihr und ihren Mitstreiterinnen geht es darum, wie das Nachbessern aussieht. Gerade Ausländerinnen hätten oft Angst vor Behörden, meint ihre Berliner Kollegin Nürnberger. Offene Angebote wie ihre würden aber gerade die nicht mehr erreichen können, die das Gesetz schützen will - sehr junge Prostituierte und Opfer von Menschenhandel - wenn sie aus Angst vor Entdeckung im Verborgenen arbeiten müssten. Der Juristinnenbund setzt deshalb vor allem aufs Gewerberecht. Er verspricht sich von einem Prostitutionsstättengesetz gute Arbeitsbedingungen und Schutz am Arbeitsplatz für die Sexworker. Von der Anmeldepflicht für die einzelne Prostituierte, auf die sich die Koalition bereits geeinigt hat, befürchten die Praktikerinnen ein "Zwangsouting, vor allem auf dem Land, wo jeder jeden kennt", so Andrea Hitzke. Zwangsläufig gerieten so die besonders sensiblen Informationen zum Sexualleben in die Datenverarbeitung, sagte Maria Wersig, die beim Juristinnenbund die Kommission für soziale Sicherung leitet. Sexarbeit sei aber noch immer keine Arbeit wie jede andere. Über eine Anmeldepflicht könne man reden, wenn es eines Tages möglich sei, auf einer Abendparty zu sagen 'Ich bin Prostituierte'. Aber das", so Wersig, "werden wir nicht mehr erleben.“
Anmerkung der Autorin: Im ursprünglichen Text habe ich zu meinem großen Bedauern eine der Teilnehmerinnen der Pressekonferenz fälschlich als ehemalige Prostituierte und Opfer von Menschenhandel bezeichnet. Der Kommentar von "Zweiflerin" bezieht sich auf diese falsche Zuschreibung. Für den - inzwischen korrigierten - Fehler bitte ich um Entschuldigung.
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