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Mit Warnwesten und Rauchfackeln protestieren Demonstranten auf französischen Autobahnen.
© AFP/Francois Lo Presti
Update

Frankreich: Frau stirbt bei Protesten gegen hohe Spritsteuer

Blockierte Straßen und Mautstellen: In Frankreich demonstrieren rund 283.000 Menschen gegen geplante Steuererhöhungen auf Benzin. Eine Frau kam dabei ums Leben.

Bei Protesten gegen hohe Spritpreise in Frankreich ist eine Frau ums Leben gekommen. Eine Autofahrerin sei angesichts einer Straßenblockade in Panik geraten und habe eine Demonstrantin überfahren, wie Frankreichs Innenminister Christophe Castaner und der zuständige Präfekt am Samstag bei einer live im Fernsehen übertragen Videoschalte bestätigten. Der Unfall ereignete sich in Pont-de-Beauvoisin, nördlich von Grenoble.

Die Autofahrerin wollte demnach ihre Tochter zum Arzt bringen und geriet in Panik, als die Demonstranten begannen, auf ihr Auto einzuschlagen. Sie habe Gas gegeben und die Frau umgefahren. Die Autofahrerin erlitt einen Schock und wurde in Gewahrsam genommen.

Rund 283 000 Menschen sind laut französischem Innenministerium auf die Straßen gegangen, um zu protestieren - gegen die geplante Erhöhung der Steuern auf Diesel und Benzin. Sie nennen sich die „Gilets Jaunes“, (dt.: gelbe Westen), in Anspielung auf die Warnwesten, die auch in Frankreich jeder Autofahrer dabei haben muss. Mehr als 2000 Protestaktionen gab es offiziellen Angaben zufolge.

„Gilets Jaunes“ hatte für Samstag in ganz Frankreich zu Blockaden von Verkehrsachsen, Kreisverkehren und Mautstellen aufgerufen. Innenminister Castaner sprach von rund 2000 Protestaktionen. Medienberichten zufolge sind die wenigsten der Aktionen offiziell angemeldet.

Mindestens 227 Personen werden verletzt

Auch im Norden Frankreichs kam es zu einem schweren Unfall. Ein Demonstrant wird Berichten zufolge in Arras auf einem Kreisverkehr umgefahren und kommt schwer verletzt ins Krankenhaus. Landesweit wurden bis zum Abend 227 Menschen verletzt, sieben von ihnen, darunter ein Polizist, schwer. 117 Menschen werden festgenommen, 38 kommen in Polizeigewahrsam. 3000 zusätzliche Sicherheitskräfte waren in ganz Frankreich im Einsatz, wie der französische Sender BFMTV unter Berufung auf Polizeikreise berichtete.

Überall im Land stockte der Verkehr. Auf ganzen Autobahnabschnitten ging kaum noch etwas, weil die Demonstranten immer nur einzelne Fahrzeuge durchließen. Auch auf dem Prachtboulevard der Champs-Élysées in Paris kam am Nachmittag der Verkehr zum Erliegen. Vor dem Mont-Blanc-Tunnel setzte die Polizei Tränengas ein, um eine Blockade aufzulösen.

In Capendu im südlichen Departement Aude fuhr ein wütender Autofahrer eine Demonstrantin an. Die Frau sei leicht verletzt worden, hieß es. Größere Straßenblockaden gab es in der Hafenstadt Caen in der Normandie, in Béziers sowie in Perpignan und Toulouse im Süden des Landes.

In Hendaye an der Grenze zu Spanien hielten etwa 150 "Gelbe Warnwesten" Schilder mit Aufschriften wie "Willkommen im Steuerland" oder "Stopp der Rentensicherheit" in die Höhe. Auf beiden Seiten des Grenzübergangs bildeten sich lange Schlangen von Autos und Lastwagen.

In Paris marschierten Demonstranten mit gelben Westen über den Prachtboulevard Champs Élysées und riefen "Macron - démission!" (Macron - Rücktritt). Mehrfach überquerten sie die Champs Élysées in Anspielung auf einen Ausspruch Macrons, der einem Arbeitslosen gesagt hatte, es genüge, die Straße zu überqueren, um Arbeit zu finden.

In der Bevölkerung genoss Protest große Zustimmung

Castaner hatte die Demonstranten bereits am Dienstag gewarnt. „Überall, wo es eine Blockade geben wird - und damit ein Risiko für Sicherheitseinsätze und auch den freien Verkehr -, werden wir einschreiten“, sagte er im Sender BFMTV.

Castaner betonte am Samstagabend das Recht auf Demonstrationsfreiheit, forderte von den Demonstranten aber ein Mindestmaß an Organisation, um "solche Dramen zu vermeiden".

Die „Gilets Jaunes“ sind dezentral organisiert, es gibt keinen offiziell Verantwortlichen. Auf Facebook-Seiten haben unzählige Menschen ihre Teilnahme an den Aktionen angekündigt.

In der Bevölkerung genoss der Protest vorab eine große Zustimmung: Laut einer Umfrage für den Sender France unterstützen drei Viertel der Franzosen die „Gilets Jaunes“.

Wogegen richtet sich die Wut der Demonstranten? Da sind zunächst die Spritpreise. Seit Jahresbeginn sind die Steuern für Diesel-Kraftstoff nach früheren Angaben der französischen Nachrichtenagentur AFP bereits um 7,6 Cent pro Liter gestiegen, für Benzin um 3,9 Cent. Eine weitere Anhebung ist für 2019 geplant.

Schon im Sommer gab es Proteste gegen neues Tempolimit

Ein Liter Super kostete laut der Tageszeitung „Libération“ im November in Frankreich durchschnittlich 1,53 Euro - 27 Cent mehr als noch vor acht Jahren. Der Preis für Diesel stieg im selben Zeitraum um 44 Cent auf durchschnittlich 1,51 Euro.

Für viele Beobachter sind die geplanten Steuererhöhungen jedoch nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Schon im Sommer gab es Proteste gegen ein neu eingeführtes Tempolimit auf Landstraßen: Statt 90 Kilometer pro Stunde sind seitdem auf Landstraßen nur noch 80 erlaubt. Vor allem in den ländlichen Regionen ist der Unmut groß.

Doch die Wut geht über Verkehrsthemen hinaus. Oft ist die Forderung nach einem höheren Mindestlohn zu hören. Politiker dagegen sollten weniger verdienen. Ein Demonstrant, der sich an einer Blockade der Autobahn 7 bei Avignon beteiligt, sagt dem Sender BFMTV, er müsse ab der Monatsmitte beim Einkaufen stets rechnen, damit ihm das Geld nicht ausgehe. „Frankreich ist sauer, und das hier war noch lange nicht alles.“

Wut richtet sich auch gegen Macron persönlich

Nicht wenige „Gilets Jaunes“ attackieren auch den Mitte-Präsidenten Macron persönlich, dessen Politik sie als Politik für die Reichen wahrnehmen. Auf Fernsehbildern sind Schilder zu sehen mit dem Konterfei Macrons und dem Schriftzug: „Hau ab!“.

Macron hatte im Vorfeld in einem TV-Interview versichert, dass er den Ärger der „Gilet Jaunes“ wahrnehme und verstehen wolle. Er warnte aber auch vor widersprüchlichen Forderungen nach mehr öffentlichen Jobs einerseits und weniger Steuern andererseits.

Der politische Senkrechtstarter war bei den Wahlen 2017 mit dem Ziel angetreten, Frankreich grundlegend zu erneuern. Doch zahlreiche Reformprojekte und ungeschickte Äußerungen brachten ihm die Wut vieler Bürger ein. Seine Beliebtheitswerte stürzten ab. (dpa, AFP)

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